Querelen um Abstimmungstermin beim Bürgerentscheid in Pforzheim

Nach dem Volksentscheid am 3. November in Berlin, muss nun auch in Pforzheim unfaires Verhalten der Verwaltungen/Parteien bezüglich des Abstimmungstermins beim Bürgerentscheid “Busse in Bürgerhand“ festgestellt werden.

Von Sarah Händel

In großer Eile hatte die Bürgerinitiative in diesem Sommer die ca. 7000 notwendigen Unterschriften für ein Bürgerbegehren zur Rückführung des öffentlichen Personennahverkehrs in die öffentliche Hand gesammelt. Ein Kraftakt, der aber von Erfolg gekrönt war.

In Eile waren die Initiatoren, weil sie sich erhofft hatten, die Abstimmung über ihr Anliegen auf den Tag der Bundestagswahl legen zu können. Abstimmungen an Wahltagen erhöhen in der Regel die Abstimmungsbeteiligung und damit die Legitimation der getroffenen Entscheidung. Doch noch aus einem anderen Grund ist eine Zusammenlegung mit einem Wahltermin empfehlenswert: an einem Wahltag ist es leichter, das für Bürgerentscheide geltende Quorum von 25 Prozent der Wahlberechtigten zu überwinden. Die in Baden-Württemberg geltende Regel besagt, dass ein Bürgerentscheid nur dann als angenommen gilt, wenn der Bürgervorschlag die Mehrheit der Stimmen erhält, gleichzeitig muss diese Mehrheit jedoch mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten umfassen. Je niedriger die Wahlbeteiligung ausfällt, desto schwieriger ist es diese Vorgabe zu erfüllen.

Nachdem die Verwaltung jedoch eine Abstimmung am Bundestagswahltag aufgrund von Zeitmangel abgelehnt hatte, beantragte die Initiative den Abstimmungstermin auf die kommenden Kommunalwahlen am 25.  Mai 2014 zu legen. In einem denkbar knappen Gemeinderatsbeschluss (19:17) wurde stattdessen der Antrag der Verwaltung angenommen den Bürgerentscheid am 1. Dezember durchzuführen. Der Initiative bleiben damit jetzt nur knapp über 6 Wochen Zeit für den Entscheid zu mobilisieren. Zudem verschlechtern sich damit die Erfolgschancen des Bürgerentscheid aus dargelegten Gründen erheblich.

Vor kurzem ist es dem Berliner Energietisch ebenso ergangen mit bitterem Ende. Dort hatte die Senatsverwaltung ebenfalls die Zusammenlegung des Volksentscheids mit der Bundestagswahl verhindert. Bei der Abstimmung am 3. November hat dann zwar eine überwältigende Mehrheit von 83 Prozent der Abstimmenden für die Rekommunalisierung der Energienetze und die Gründung neuer Stadtwerke gestimmt, doch diese Mehrheit entsprach nur 24,1 Prozent der Wahlberechtigten, 25 hätten es sein müssen. Der Einfluss der Verwaltungen und auch der Parteien, die inhaltlich gegen das Volksbegehren waren, hat in diesem Fall zum Scheitern eines Begehrens geführt, das am Tag der Bundestagwahl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Erfolg gehabt hätte.

Für die Pforzheimer Initiative kommt nun folgende Bedauerlichkeit hinzu: die gerade bekannten Eckpunkte zur Reform der direkten Demokratie sehen eine Senkung des Zustimmungsquorums beim Bürgerbegehren von 25 auf 20 Prozent vor. Bei einem Entscheid am 25 Mai 2014 wäre diese Änderung mit allergrößter Wahrscheinlichkeit schon wirksam gewesen. Dass heißt die Verwaltung und die Gemeinderatsmehrheit, die auch inhaltlich das Begehren ablehnt, haben mit der Festlegung des Abstimmungstermins auf den 1. Dezember gleich doppelt dafür gesorgt, dass sich die Erfolgschancen des Begehrens erheblich verringern.


Mehr Demokratie fordert die vollständige Abschaffung des Quorums bei Bürger- und Volksentscheiden. Wie bei Wahlen auch, soll die einfache Mehrheit entscheiden, ob ein Vorschlag angenommen werden soll oder nicht. Die Schweizer kennen es nicht anders und auch die wissenschaftlichen Stimmen zur negativen Wirkung von Abstimmungsquoren werden immer einhelliger. Wichtig ist, dass die Hürden beim Begehren sinnvoll gestaltet sind, dann braucht es bei der Abstimmung selbst keines mehr. Solange ein Quorum besteht, muss unbedingt dafür gesorgt werden, dass die Verwaltung/Parteien Abstimmungen nicht in ihrem Sinne manipulieren können. Der Abstimmungstermin sollte nur im Einverständnis mit der Initiative festgelegt werden. Oder verpflichtend mit Wahlterminen zusammengelegt werden, es sei denn die Initiative entscheidet anders.

Mehr Informationen zur negativen Wirkung von Abstimmungsquoren.