Bündnis für mehr Demokratie: interfraktionelle Paketlösung verwässert Reform der direkten Demokratie

Grün-Rot sollten Bürgerentscheide allein reformieren und zwar da, wo es Not tut.

Auf einer Presse-Konferenz am 16.09.2013 erklärte das Bündnis für Mehr Demokratie in Baden-Württemberg die von den Regierungsfraktionen und der Opposition angestrebte Paketlösung zur Reform landesweiter Volksabstimmungen und kommunaler Bürgerentscheide für gescheitert.

Die interfraktionelle Arbeitsgruppe war auf Wunsch der CDU eingerichtet worden. Und in der Tat ist für eine Verbesserung der Volksabstimmung ein gemeinsamer Kompromiss aller Parteien notwendig, da es dafür eine verfassungsändernde 2/3-Mehrheit braucht. Grün-Rot hatte jedoch eingewilligt auch die Reform der kommunalen Bürgerentscheid zusammen mit der CDU in der Arbeitsgruppe zu verhandeln, obwohl für diese Reform die einfache Regierungsmehrheit ausreichen würde.

Nun stellte das Bündnis fest:„Die Verhandlungen von Grünen, SPD, CDU und FDP in der interfraktionellen Arbeitsgruppe waren nicht von dem Wunsch nach einer einvernehmlichen und fortschrittlichen Lösung geprägt, sondern entwickelten sich zu einem Blockadeinstrument der CDU auf beiden Ebenen“, so Brigitte Dahlbender (BUND-Landesvorsitzende). „Völlig inakzeptabel ist die Vorstellung der CDU, die zur Beantragung eines Volksbegehrens notwendige Unterschriftenzahl von 10.000 auf 75.000 zu erhöhen. Volksbegehren würden so nicht erleichtert, sondern erheblich erschwert“, ergänzt Edgar Wunder von Mehr Demokratie e.V.

Die grün-rote Landesregierung solle ein Scheitern einer Paketlösung als Chance begreifen. „Die Regierung muss dann keine Rücksicht mehr auf die CDU nehmen und kann der direkten Demokratie in den Städten und Gemeinden neuen Schub verleihen. Ohne weitere Verzögerungen könnte dann eine wirksame Reform für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in den Kommunen einfachgesetzlich umgesetzt werden“, erklärte Edgar Wunder. „Dadurch könnte die Regierung einen Teil ihrer Versprechen in der Koalitionsvereinbarung umsetzen und wenigstens in den Städten und Gemeinden eine Aufbruchstimmung für mehr Bürgerbeteiligung erzeugen.“

Doch auch innerhalb der Regierung gibt es Uneinigkeiten bei den Reformschritten für Bürgerentscheide. Wunder bedauerte: „Dass nun aus der SPD-Fraktion wiederholt Bedenken laut wurden, obwohl selbst die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) sich für weitgehende Reformen ausgesprochen hat, ist für uns schwer nachvollziehbar“. Nikolaus Landgraf  (Vorsitzender des DGB Baden-Württemberg) ergänzte: „Ich wünsche mir, dass die SPD-Landtagsfraktion auf ihre Kommunalpolitiker hört und ihre Bedenken zurückstellt.“

Ein wenige Tage nach der Presse-Konferenz stattfindendes Treffen der interfraktionellen Arbeitsgruppe brachte jedoch kein Umsteuern. Die Gespräche wurden nicht aufgekündigt und von einer Aufkündigung ist nach einer einmaligen Androhung der Grünen nun auch kein Wort mehr zu hören. Stattdessen wurden für den 24. Oktober oder allerspätestens nach einem letzten Treffen am 6. November endgültige Ergebnisse angekündigt. Verbesserungen für die bisher völlig unnutzbare Volksabstimmung sind zu erwarten. Bei der Reform von Bürgerbegehren liegen die Parteipositionen jedoch so weit auseinander, dass keine maßgeblichen Verbesserungen bei den Refomknackpunkten zu erwarten sind.

Um Baden-Württemberg wie im Koalitions-Vertrag angekündigt, zu einem „Musterland demokratischer Beteiligung“ müssten nach dem Vorbild von z.B. Bayern folgende Eckpunkte bei der Reform von Bürgerentscheiden unbedingt umgesetzt werden:

Bei Bürgerentscheiden müssen auch Fragen der Bauleitplanung abstimmungsfähig werden. Wie in Bayern muss der Ausschlussgrund „Bauleitpläne und örtliche Bauvorschriften“ aus der Gemeindeordnung gestrichen werden.

Die Frist für Bürgerbegehren, die im Widerspruch zu einem Gemeinderatsbeschluss stehen, muss abgeschafft werden.

Der sog. „Kostendeckungsvorschlag“ ist als Zulässigkeitsvoraussetzung für ein Bürgerbegehren abzuschaffen. Zu den Kostenfolgen können sich alle Beteiligten dann beim Bürgerentscheid äußern.

Das Zustimmungsquorum für Bürgerentscheide ist nach Gemeindegröße zu staffeln.

Das Bündnis für mehr Demokratie in Baden-Württemberg wurde 2004 gegründet. Auf seinen Druck hin wurde schon im Sommer 2005 eine, wenn auch noch unzureichende, erste Reform auf der kommunalen Ebene für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide umgesetzt. Mitglieder des überparteilichen Bündnisses sind u.a. die Landesorganisationen des BUND, des DGB, des Vereins Mehr Demokratie, des Landesjugendrings und der Naturfreunde, sowie über 20 weitere Organisationen.

Ein Papier des Bündnisses mit den Mindestanforderungen (mit Begründungen) an eine Reform auf kommunaler und Landesebene finden Sie hier.