Drei von vier Baden-Württemberger/innen sind für Volksentscheide

So lautet das zentrale Ergebnis einer neuen Studie zu direkter Demokratie und Bürgerbeteiligung im Land. Jetzt sind die Parteien aufgefordert, die angekündigten Reformen bei der direkten Demokratie und der Informationsfreiheit zügig umzusetzen.

 

Von Moritz Küster

Die grün-rote Landesregierung ist 2011 mit dem Anspruch angetreten, eine „Politik des Gehörtwerdens“ zu verfolgen. Zu dieser Politik gehört auch eine Reform der Beteiligungsmöglichkeiten: So soll es in Zukunft z.B. einfacher werden, bindende Abstimmungen auf lokaler oder Landesebene vorzunehmen. Während in den Parteien die Arbeit an den Gesetzesentwürfen noch andauert, ist in der letzten Woche eine Studie erschienen, die sich mit der Meinung der Bürger/innen zu den Beteiligungsmöglichkeiten und der Qualität der Demokratie im Land befasst. Durchgeführt wurde sie von einem Team von Politikwissenschaftler/innen um den Mainzer Professor Thorsten Faas. Die Studie stützt sich auf repräsentative Telefonumfragen mit insgesamt über 1000 Teilnehmer/innen, die im Zeitraum zwischen Herbst 2011 und Sommer 2013 insgesamt viermal befragt wurden.


Im ersten Teil der Studie wurden die Bürger/innen Baden-Württembergs zu ihrer Haltung zu direkter Demokratie und Bürgerbeteiligung allgemein befragt. Das Instrument der Volksentscheide findet bei der Bevölkerung großen Anklang: Der Aussage „Volksabstimmungen sind ein gutes Mittel, um wichtige politische Fragen zu entscheiden.“ stimmten 2013 72% zu; dies stellt noch einmal einen deutlichen Zuwachs gegenüber der ersten Befragung von 2011 zu, als dies 60% taten. Einen ähnlichen Zuwachs gibt es auch bei der Forderung nach mehr Beteiligung; so befürworten inzwischen 60% der Bürger/innen mehr direkte Beteiligung an politischen Entscheidungen gegenüber 50% noch im Jahr 2011.


Der bisher einzige durchgeführte Volksentscheid in Baden-Württemberg, nämlich der über das Verkehrsprojekt Stuttgart 21, bildet einen weiteren Teil der Untersuchung. Seit dem Volksentscheid im Herbst 2011 hat sich die Einstellung der Bürger/innen zu dem Projekt kaum verändert: Noch immer ist eine Mehrheit von gut 50% für das Projekt, während der Anteil der Gegner/innen bei ungefähr 40% Prozent liegt. Für den Volksentscheid als politisches Instrument sind die folgenden Ergebnisse sehr aufschlussreich: Während knapp 30% der Befragten mit dem Ausgang unzufrieden sind, finden nicht einmal 10% schlecht, dass ein solcher Entscheid überhaupt stattgefunden hat. Die Bürger/innen scheinen also trennen zu können zwischen ihrer persönlichen Meinung zu einer bestimmten Entscheidung und der Bewertung von Volksentscheiden als Instrumente der Entscheidung. Anders gesagt: Das Ergebnis eines Volksentscheids genießt auch bei denen hohen Respekt, die mit dem Ergebnis selbst nicht zufrieden sind. Diese Beobachtung wird noch einmal deutlicher, wenn man die Befragten nach Parteianhängerschaft und persönlicher Meinung zu Stuttgart 21 unterscheidet. So lässt sich feststellen, dass die Parteianhänger/innen der Grünen, die sich ja gegen das Projekt ausgesprochen hatten, zu über 80% begrüßen, dass es einen Volksentscheid darüber gegeben hat; bei den Anhänger/innen der CDU, die sich bekanntlich für das Projekt stark gemacht hatte, findet sich bei derselben Frage nur 60% Zustimmung. Das gleiche Bild zeigt sich bei der Unterscheidung zwischen Gegner/innen und Befürworter/innen: Die Gegner/innen begrüßen zu 80% die Durchführung eines Volksentscheides, die Befürworter/innen dagegen nur zu knapp 70%.


Dem Wunsch nach mehr Beteiligung entspricht jedoch nicht unbedingt eine geringe Zufriedenheit mit der Qualität der (repräsentativen) Demokratie in Baden-Württemberg. Nur 10% der Befragten sind wirklich unzufrieden, über die Hälfte dagegen zufrieden bis sehr zufrieden. 44% finden sogar, dass die Demokratie sich im Laufe des letzten Jahres verbessert hat, knapp 20% aber auch, dass sie sich verschlechtert habe. Mit der Entwicklung der Demokratie wird die Landesregierung deutlich in Verbindung gebracht; knapp 40% sprechen ihr eine wichtige Rolle dabei zu.


Neben diesen im Großen und Ganzen positiven Befunden gibt es auch zwei Punkte, an denen eine große Mehrheit über Parteigrenzen hinweg noch Verbesserungen wünscht: 60% der Bürger/innen wünschen sich mehr Transparenz und Offenheit in der Politik. Außerdem finden nur 30%, dass sie gut über Beteiligungsmöglichkeiten im Land informiert sind. Die Landesregierung unternimmt im Moment die ersten Schritte, um hier Verbesserungen zu schaffen. Die ersten Eckpunkte für ein Informationsfreiheitsgesetz, mit dem jede/r Bürger/in Zugang zu behördlichen Informationen bekommt, stehen bereits. Langfristig sollte dieses Gesetz nach Meinung von Mehr Demokratie aber in ein Transparenzgesetz umgewandelt werden; dadurch bestünde eine Veröffentlichungspflicht für Informationen von öffentlichem Interesse.


Insgesamt sind die Ergebnisse der Studie für Mehr Demokratie sehr erfreulich. Die Baden-Württemberger/innen befürworten in immer größerer Mehrheit die Einführung von Volksentscheiden sowie mehr politischer Beteiligung und bringen gleichzeitig dem gegenwärtigen politischen System auch ihr Vertrauen entgegen. Jetzt ist es an den im Landtag vertretenen Parteien, diesem Vertrauen auch gerecht zu werden und die angekündigten Reformen in die Tat umzusetzen.

 

Die vollständige Studie finden Sie hier.