Demokratie-Paket endlich interfraktionell abgeschlossen: leichtere Volksentscheide, Bürgerentscheide & Informationsfreiheitsgesetz geplant.

Die Verfassungsänderung für leichtere Volksbegehren & Volksentscheide, die Reform der Gemeindeordnung zur Erleichterung von Bürgerbegehren & Bürgerentscheiden und ein Informationsfreiheitsgesetz sind jetzt alle vom Kabinett beschlossen worden. Bringt  Baden-Württemberg sich mit diesem Demokratie-Update nun auf den neusten Stand ?!

Von Sarah Händel

Es ist eine gute Nachricht, dass wir nun sicher sein können, dass diese lange angekündigten aber immer wieder verschobenen Reformen nun wirklich kommen werden. Die Demokratie in Baden-Württemberg hat dieses Update nach langem Stillstand wirklich dringend nötig! Doch wird das Update uns auf den neusten Stand bringen und die besten derzeit auch in anderen Bundesländern schon geltenden Standards umsetzen? Leider nicht: die Spitzenplätze für bürgerfreundliche Regelungen bei Beteiligung, Mitbestimmung und Transparenz  werden weiterhin andere Bundesländer einnehmen. Die Bilanz für BW ist jedoch durchaus gemischt.

 

DIE GEMEINDEORDNUNG: Die Verbesserungen bei der Gemeindeordnung für die Demokratie vor Ort in den Kommunen sind nicht unerheblich. Vor allem die Öffnung der Bauleitplanung für 3 Monate nach dem Aufstellungsbeschluss wird in der Praxis einen großen Unterschied machen und Bürgerbegehren dort ermöglichen, wo sie bisher fast gänzlich ausgeschlossen sind. Bürger können sich nun einbringen bei der Entscheidung ob wo was gebaut werden soll. Auch das eine Bürgerinitiative nur noch 7 % statt 10 % der Unterschriften für ein erfolgreiches Begehren sammeln muss und die Initiative dafür 3 Monate Zeit hat anstatt 6 Wochen, ist neben der Senkung des Zustimmungsquorums beim Bürgerentscheid von 25 auf 20 Prozent der Wahlberechtigten, sehr wichtig.

Dazu kommen die Erleichterungen bei der Einberufung einer Einwohnerversammlung und beim Stellen eines Einwohnerantrages – Instrumente um Bürgeranliegen zur Befassung  in den Gemeindetag zu tragen, oder zu einem Anliegen gemeinsam mit der Verwaltung zu diskutieren.  Hier müssen jetzt weniger Unterschriften gesammelt werden und es gibt Höchstgrenzen (mehr Infos).

Stellungnahme Mehr Demokratie zur Gemeindeordnungsreform

 

DIE VERFASSUNGSÄNDERUNG: ist ein wirklich maßgeblicher Schritt nach vorne, denn Volksbegehren werden mit einer 6-monatigen Sammelfrist von 10 Prozent der Unterschriften in freier Sammlung ein wirklich einsetzbares Instrument. Schwierig ist, dass die Volksabstimmungen immer noch großes Risiko laufen auch am neu geplanten Zustimmungsquorum von 20 Prozent (früher 33, 3 Prozent) der Wahlberechtigten unecht zu scheitern. Denn leider  ist keine Verpflichtung vorgesehen, die Abstimmung mit Wahlen zu koppeln, um eine möglichst hohe Beteiligung zu erreichen. Wird das Zustimmungsquorum nicht erreicht, erlangt ein Volksentscheid auch im Falle einer Mehrheit der Abstimmenden für das Anliegen keine rechtliche Gültigkeit.

Stellungnahme Mehr Demokratie zur Verfassungsänderung

 

Stellungnahme Mehr Demokratie zum Volksabstimmungsgesetz

(Ausführungsgesetzt zum Volksentscheid)

 

DAS IFG:  Der Gesetzentwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zur besseren Einsicht in die bei den Verwaltungen vorliegenden Informationen, ist weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Nachdem Baden-Württemberg lange eines der letzten 5 Bundesländer ohne ein IFG war, durfte man hoffen, dass nun unter der grün-roten Landesregierung ein moderndes State-of-the-Art-Gesetz kommen wird. Das Ergebnis ist jedoch ängstlich-zurückhaltend. Es werden breite Ausnahmenbereiche formuliert mit vagen Begrifflichkeiten.  Auf die Interessen der informationspflichtigen Stellen im Wirtschaftsverkehr dürfen sich beispielsweise keine „ nachteiligen Auswirkungen“ ergeben - da ist natürlich viel Auslegungsspielraum. Hart ist auch, dass es keine Abwägungsklausel geben wird, um zu erwägen, ob das öffentliche Interesse an einer Information gegenüber dem Recht auf Geschäftsgeheimnis überwiegt und sie deshalb freigegen wird. Hier werden einseitig die Interessen der Wirtschaft pauschal vor Bürgeranfragen geschützt. Dass den Kommunen erlaubt wird, volle Kostendeckung zu erheben und daher Bürger durch potenziell hohe Kostenbescheide abgeschreckt werden könnten, ihr Recht auf Information zu nutzen, ist kritisch. Vor allem, da der Evaluationsbericht zum Bundes-IFG auswertet, dass die Kosten von dem größten Teil der Anfragen sich in einem überschaubaren Kostenrahmen halten und sie daher ohne Probleme kostenlos herausgegebenen werden können. Was die freiwillige Veröffentlichung von Informationen angeht, bleibt das baden-württembergische IFG weit hinter dem Bundesvorbild Hamburg zurück, wo die Verwaltungen angehalten sind praktisch alle relevanten Dokumente von sich aus im Internet den Bürger/innen und auch den Journalisten zur Verfügung zu stellen. Außerdem gilt in BW diese Pflicht nur für die Landesbehörden, die Kommunalen Verwaltungen sind ausgenommen.

Stellungnahme von Mehr Demokratie zum IFG

 

FAZIT: Insgesamt bedeuten die Gesetze in jedem Fall (größere und kleinere) Verbesserungen im Vergleich zum Status Quo. Sie sind teilweise erste Schritte auf einem Weg der Demokratie-Erneuerung, der in jedem Fall noch weiter gegangen werden muss. Besonders schade ist, dass bei der Erarbeitung all dieser Gesetzentwürfe zur besseren Beteiligung keine Beteiligung stattgefunden hat! Die Zivilgesellschaft ist so gut wie außen vor geblieben und alle Kraft ist in die schwierigen und oft zähen Verhandlungen zwischen den Fraktionen geflossen. Das hat zum einen zur Folge, dass viel wichtige Expertise nicht in die Gesetze eingeflossen ist, zum anderen aber auch, dass die Öffentlichkeit wenig bis gar nichts von den dort behandelten Themen mitbekommen hat. Viele Bürger/innen wissen deshalb auch jetzt nicht, dass ihre Rechte verbessert werden und wie genau sie diese in Zukunft anwenden können werden, um sich besser in die Politik einzumischen.  Eine verpasste Chance, um den Menschen näher zu bringen, dass mehr Einmischung und politisches Engagement auch erwünscht ist!