Drei Kreuze am 22. September

An vier Orten wurde am vergangenen Sonntag zeitgleich mit der Bundestagswahl auch über kommunale Sachthemen abgestimmt: In Mannheim, Hirschberg, Herrenberg und Weinheim waren die Wahlberechtigten aufgerufen, sich an Bürgerentscheiden zu beteiligen.

Von Katja Größchen

Mannheim – Bundesgartenschau 2023

In Mannheim konnten die Wählerinnen und Wähler am Wahlsonntag zusätzlich zu einem Sachthema entscheiden: Zur Debatte stand die Ausrichtung der Bundesgartenschau (Buga) 2023 in Mannheim. Bei Befürworter/innen und Gegner/innen kochten kurz vor der Abstimmung die Emotionen hoch: Beide Seiten vertraten vehement ihre Argumente. Die Unterstützerinnen und Unterstützer der Gartenschau, unter anderem vertreten durch den „Freundeskreis Mannheim – BUGA ja!“, versprechen sich Möglichkeiten zur Stadtentwicklung und -begrünung, während die skeptischen Stimmen mit Hinblick auf die Kosten des Projekts auf die bestehende Verschuldung der Stadt und ökologische Gefahren hinweisen. Sie argumentieren, dass viele Ziele der Buga, wie zum Beispiel die Konversion von ehemaligen Militärflächen oder eine Frischluftschneise, auch ohne die Gartenschau erreicht werden können. Mehrere hundert Menschen äußerten ihren Protest, indem sie eine Menschenkette um eines der betroffenen Gebiete bildeten – eine Aktion, die vom politischen Gegner als „völlig überzogen“ kritisiert wurde. Auch Prominente aus der Stadt positionierten sich zur Streitfrage: Neben Musiker Xavier Naidoo sprach sich auch Comedian Bülent Ceylan für die Ausrichtung der Buga in Mannheim aus. 

Die Entscheidung fiel denkbar knapp aus: 50,7 Prozent stimmten für die Buga, 49,3 Prozent dagegen. Am Ende gaben weniger als 2000 Stimmen den Ausschlag für die Buga. Trotz ihrer Niederlage in der Abstimmung wollen nun einige der Buga-Kritiker/innen an der konkreten Ausgestaltung des Projekts mitarbeiten.

 

Hirschberg – Entscheidung über Schulkonzept

In Hirschberg im Rhein-Neckar-Kreis wurde zeitgleich mit der Bundestagswahl auch über die Zukunft der örtlichen Karl-Drais-Schule entschieden. In einem Bürgerentscheid konnten die Bürgerinnen und Bürger bestimmen, ob die Schule ab dem Schuljahr 2014/2015 in eine Gemeinschaftsschule umgewandelt werden soll. In den letzten Wochen vor der Wahl wurden intensiv Argumente ausgetauscht: Befürworterinnen und Befürworter erhoffen sich durch die Gemeinschaftsschule ein besseres pädagogisches Gesamtkonzept, eine Aufwertung des bisherigen Werkrealabschlusses und eine Stärkung des Ortes Hirschberg durch den Erhalt einer weiterführenden Schule sowie durch eine längerfristige Bindung der Schülerinnen und Schüler an den Ort. Auf der Gegenseite bestehen Bedenken hinsichtlich der zukünftigen Schülerzahlen und der Gefahr leerstehender Klassenzimmer. 

Der Prozess der Bürgerbeteiligung hat auch Kritik hervorgerufen: Die Bürgerinitiative Sterzwinkel bemängelte zum Beispiel das Fehlen einer transparenten Kostenaufstellung und einer Befragung zum Bedarf an einer Gemeinschaftsschule. 

Am Sonntag stimmte schließlich eine knappe Mehrheit gegen die Gemeinschaftsschule. Auch das nötige Quorum wurde erreicht, da mit 38,93 Prozent deutlich mehr als 25 Prozent der Stimmberechtigten gegen das Projekt stimmten. 35,49 Prozent sprachen sich dafür aus.

 

Herrenberg – Eine Wahl zur Wahl

In Herrenberg stimmten die Wahlberechtigten am Sonntag über ein besonderes Thema ab: die Wahl des Gemeinderats. Bisher greift in Herrenberg das System einer „unechten Teilortswahl“. Das bedeutet, dass jedem Stadtteil je nach Größe eine bestimmte Anzahl Sitze im Gemeinderat garantiert wird, die Bürgerinnen und Bürger jedoch Stimmen an Kandidierende aus allen Stadtteilen vergeben dürfen und sich nicht auf die Kandidierenden ihres Stadtteils beschränken müssen. Damit soll eine Vertretung auch der kleinen Stadtteile im Gemeinderat gewährleistet werden. Gegenstimmen argumentieren, dass im Gemeinderat ohnehin die Fraktionen dominieren und der Einfluss eines einzelnen Abgeordneten sich daher in Grenzen hält. Zudem wird kritisiert, dass Stimmen aus unterschiedlichen Stadtteilen bei der Gemeinderatswahl auch ein unterschiedliches Stimmgewicht haben, da für die Wahl eines Kandidierenden in kleineren Stadtteilen weniger Stimmen benötigt werden als in größeren. Außerdem bemängeln die Kritikerinnen und Kritiker, dass die Gefahr der ungültigen Stimmabgabe bei der unechten Teilortswahl vergleichsweise groß sei.

Der Bürgerentscheid am Wahlsonntag besiegelte nun das Ende der unechten Teilortswahl: 39,4 Prozent der Wahlberechtigten stimmten dagegen, nur 27,9 Prozent dafür. Somit kann schon bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr das neue Wahlrecht angewendet werden.

 

Weinheim – Am Ende setzte die Bürgerinitiative sich durch

Im November 2011 forderten 5.000 Weinheimer und Weinheimerinnen einen Bürgerentscheid zum geplanten Gewerbegebiet „Breitwiesen“. Im Gemeinderat war die Zulässigkeit des Begehrens umstritten, da es sich gegen den Ausstellungsbeschluss des Bebauungsplans im Oktober richtete. Anstatt das Bürgerbegehren für unzulässig zu erklären, einigte sich der Gemeinderat auf die Erarbeitung eines „Bürgergutachtens“ im Rahmen einer Planungszelle. Das Bürgergutachten kam zum Ergebnis, dass eine andere Fläche für ein Gewerbegebiet Vorrang hätte. 

Die Kompromisslösung, dass der Gemeinderat den Wunsch der Bürgerinnen und Bürger aufgreift und selbst den Bürgerentscheid beschließt, scheiterte zunächst an einer Fragestellung mit der alle Akteure sich einverstanden erklärten. Erst in einem zweiten Anlauf im Februar 2013 wurde man sich einig und beschloss den Entscheid für den 22. September.

Beim Entscheid haben die Bürgerinnen und Bürger aus Weinheim sich gegen eine Bebauung der Breitwiesen ausgesprochen. 13.144 Wahlberechtigte (57,4 Prozent der Abstimmenden) sprachen sich gegen den von der Stadt angestrebten Flächentausch mit dem Areal Hammelsbrunnen aus und nur 9748 (42,6 Prozent) dafür. Die Wahlbeteiligung lag bei 69,2 Prozent.