Stolperstein Kostendeckungsvorschlag: Bürgerbegehren in Salem ist unzulässig

Ein Bürgerbegehren in Baden-Württemberg ist nur zulässig, wenn ein detaillierter Plan erstellt wird, wie anfallende Kosten gedeckt werden sollen. Doch die angekündigte Reform wird diese bürgerunfreundliche und praxisuntaugliche Hürde voraussichtlich nicht beseitigen.

 

Von Sarah Händel

 

 

Die Tücken bei dem Versuch einen Bürgerentscheid zu einer Sachfrage herbeizuführen hat nun auch eine Bürgerinitiative in Salem zu spüren bekommen. Die Gemeinde hatte beschlossen eine Gemeinschaftsschule einzurichten und im Zuge dessen die ansässige Realschule zu schließen. Die Bürgerinitiative wollte erreichen, dass die Realschule noch mindesten 3 Jahre neben der Gemeinschaftsschule weiterbetrieben wird. In kurzer Zeit hatte sie zu diesem Zweck weit mehr als die notwendigen 10 Prozent (3000 statt der erforderlichen ca.900) der Unterschriften der wahlberechtigten Bürger/innen Salems gesammelt. Gestolpert ist die Initiative nun über Mängel am sogenannten Kostendeckungsvorschlag. Dieser muss auf dem Unterschrifteinsammelblatt abgedruckt sein und stellt dar, wie die durch den Vorschlag der Initiative zustande kommenden Kosten aus dem Gemeindehaushalt gedeckt werden könnten. Wichtig zu wissen ist: Der Kostendeckungsvorschlag der Initiative ist für den Gemeinderat nicht bindend, dass heißt, wenn die Initiative in der Abstimmung erfolgreich war, kann der Gemeinderat völlig andere Wege gehen, um die entstehende Kosten zu decken. Trotzdem gehört der Kostendeckungsvorschlag zu den notwendigen rechtlichen Voraussetzungen für einen Bürgerentscheid. Die Intention dahinter ist, dass die Bürger/innen sich nicht einfach blauäugig etwas wünschen sollen, ohne sich über die dahinterstehend Kosten Gedanken zu machen. Das ist theoretisch ein nachvollziehbares Argument, doch es verkennt erstens die Realität und ist zweitens eine unfaire Anforderung an die Bürger/innen als „Politiklaien“. Denn um einen sinnvollen Kostendeckungsvorschlag zu erstellen, sind intime Kenntnisse des Gemeindehaushalts notwendig, die ein/e Durchschnittsbürger/in schlicht nicht hat. Auch ist derzeit die Gemeinde nicht zur Auskunft verpflichtet und kann die Bürger/innen mit Anfragen dazu im Regen stehen lassen. Doch ein ebenso gewichtiges Argument ist die grundlegende Verkennung der Realität: es ist kein Kostendeckungsvorschlag vonnöten, um sicherzustellen, dass im Vorfeld eines Bürgerentscheids über die Kosten der vorgebrachten Idee gesprochen wird. Die Kostenfrage ist immer und in jedem Bürgerentscheid ein zentral diskutierter Aspekt, zu dem sich alle Beteiligten äußern müssen, um die abstimmenden Bürger/innen zu überzeugen. Das bestätigt auch die Praxis in anderen Bundesländern, wo es diese Zulässigkeitsvoraussetzung nicht gibt. Mehr Demokratie.e.V. setzt sich deswegen seit vielen Jahren für die Abschaffung des Kostendeckungsvorschlages ein und bedauert sehr, dass in den derzeit im Landtag geplanten Reformen eine Abschaffung wieder nicht vorgesehen ist. Eine Beratungspflicht der Gemeinden soll aber immerhin kommen.


In Salem war zwar ein Kostendeckungsvorschlag vorhanden, er wies jedoch inhaltliche Mängel auf. Die Initiative in Salem hat nun Glück im Unglück: der Gemeinderat hat sich entschieden das formal unzulässige Bürgerbegehren aufzugreifen und mit der dafür notwendigen 2/3 – Mehrheit beschlossen selbst einen Bürgerentscheid anzusetzen. Der Entscheid ist nun für den 13. Juli angesetzt. Die Fragestellung der Initiative hat der Gemeiderat allerdings abgeändert.


 

Oft scheitern solche „Rettungsversuche“ eines Bürgerbegehrens durch einen Gemeinderat, an der sehr hohen 2/3-Hürde, die große Einigkeit zwischen den Gemeinderatsfraktionen in der Sache voraussetzt. In Bayern reicht die einfache Mehrheit aus. Mehr Demokratie e.V. macht sich auch hier in Baden-Württemberg dafür stark, dass diese Hürde gesenkt wird, um es dem Gemeinderat zu erleichtern den Wunsch der Bürger/innen nach einem Bürgerentscheid aufzugreifen oder von sich aus zu beschließen, eine wichtige Entscheidung an die Bürger/innen weiterzugeben, um sie so stärker zu legitimieren. Doch auch an diesem Punkt wird es wohl durch die Reformen keine Besserung geben.

 

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