Beteiligungslabor Baden-Württemberg

Anfang Februar lud die Heinrich-Böll-Stiftung zur Diskussion in Karlsruhe:  Wie haben Bürgerbeteiligung und Bürgermitbestimmung sich entwickelt? Inwieweit hat sich die politische Kultur nach dem Regierungswechsel im Land und der Stadt Karlsruhe verändert? 

Stellung bezogen haben die Staatsrätin für Bürgerbeteiligung und  Zivilgesellschaft Gisela Erler, sowie der Ende 2012 neu gewählte Oberbürgermeister Frank Mentrup, der zuvor Kollege von Frau Erler im Reformkabinett der grün-roten Landesregierung war. Ergänzt wurden die Runde durch Inputs aus der Zivilgesellschaft, u.a. von Mehr Demokratie e.V., der Allianz für Beteiligung und der Berliner Autorin Elisabeth Kiderlen. Dank der interaktiven Gesprächsmethode Fishbowl blieb viel Raum für Fragen und Stellungnahmen aus dem Publikum.

Den Aufschlag machte Gisela Erler. Sie stellte die Reformbemühungen der Landesregierung vor: Nach langen und zähen Verhandlungen sei nun endlich ein interfraktioneller Kompromiss für eine Verfassungsreform von Volksbegehren und Volksabstimmungen gefunden worden. Als Zugeständnis unterblieben weitergehende Schritte an anderer Stelle, z.B. beim Landtagswahlrecht oder bei Bürgerbegehren bzw. Bürgerentscheid. Diese hätten, so war von vielen erwartet worden, Grün-Rot eigenständig umsetzen können, aber das Ziel der Regierungskoalition sei es gewesen, die Demokratiereformen auf allen Ebenen und auch zwecks langfristiger Etablierung im Konsens mit der Opposition umzusetzen. Mit der Absenkung der Hürden auf Landesebene wird es dann auch im Ländle von unten initiierte Volksabstimmungen geben.

Ausführlich weiterentwickelt wurden zudem  Planungs- oder Genehmigungsverfahren, insbesondere für größere Projekte des Landes. Zusammen mit  Verwaltung, Zivilgesellschaft und vielen BürgerInnen erarbeitete Frau Erler eine Verwaltungsvorschrift für verbindliche frühzeitige Beteiligung und einem Leitfaden für Behörden zu deren Anwendung. Baden-Württemberg hat damit als erstes Bundesland für eigene Vorhaben eine verbindliche Regelung. Frau Erler hofft auch, dass dies auf Bundesebene einen Impuls für verbindliche Bürgerbeteiligung setzen wird.

Oberbürgermeister Frank Mentrup schilderte, auf welche Beteiligungskultur er in Karlsruhe bei seinem Amtsantritt angetroffen sei. Seit über 10 Jahren experimentiere Karlsruhe mit Beteiligungsverfahren und hätte auch schon Erfahrung mit Bürgerentscheiden. Er hob hervor, dass dabei Transparenz und umfassende Information, aber auch die Wertschätzung unterschiedlicher Positionen, grundlegend sei. Eine frühe Beteiligung fände er auch wichtig und er könne sich auch vorstellen, dass wichtige Grundsatzentscheidungen in Form eines Bürgerentscheids getroffen werden.

In den anschließenden Fragen und Statements wurde deutlich, dass einige Beteiligungsexperimente auf Landesebene, z.B. der Filderdialog, der Faktencheck zu einer weiteren Rheinbrücke bei Karlsruhe oder das Mediationsverfahren zum Institut für Transurane, kritisch gesehen werden. Die Referenten machten deutlich, dass die Entwicklung einer Beteiligungskultur ein längerer Weg wäre und man viel lernen müsse. Beteiligung darf nur nicht als Akzeptanzschaffung erlebt werden. Deswegen sollte sie unterlassen werden, wenn kein Verhandlungs- oder Planungsspielraum vorhanden wäre.

Als Vertreter von Mehr Demokratie sprach der Autor die Erwartung aus, dass die kommende Reform von Volksabstimmungen und Bürgerentscheiden nicht nur als Stärkung der parlamentarischen Demokratie, sondern auch der Beteiligungskultur erlebt werde. Aufgrund der direktdemokratischen Option würden Entscheidungsalternativen dann ernsthafter geprüft und abgewogen werden. Er hoffe, dass gerade die Reform auf Landesebene zu positiven Erfahrungen führe und Baden-Württemberg nicht noch einmal 40 Jahre auf Verbesserungen in der Landesverfassung warten muss.