Debatte zu den Hürden für eine Verfassungsänderung durch Volksabstimmung, 8. Oktober und 5. November 1953

Bei der damaligen Debatte setzte sich die CDU dafür ein, dass das Volk mit einfacher Mehrheit abstimmen können soll, auch bei Verfassungänderung. Anstatt dem heute geltenden 50 prozentigen Zustimmungsquorum, nachdem 50 % der Wahlebrechtigten einer Verfassungsänderung zustimmen müsssen, damit sie Gültigkeit erlangt, sprach sich die CDU dafür aus, dass die Mehrheit der Abstimmenden genügen soll. Aber lesen Sie selbst:

 

Franz Gog (CDU):

Wir sind der Auffassung, dass bei der ganzen Gestaltung des Werdens unserer Verfassung und bei der Notwendigkeit der elastischen Anpassung der Verfassung an die bestehenden Notwendigkeiten des Landes [..]“, die derzeitige Regelung viel zu starr ist „und dem Volkswillen nicht genügend Rechnung trägt, denn die Qualifikationen, die sich der Reihe nach häufen, [ ] machen eine Verfassungsänderung durch Volksabstimmung praktisch unmöglich. Wir meinen “ [ ]dies korrigieren zu können, „indem nämlich die einfache Mehrheit der abstimmenden Staatsbürger genügen soll, die Verfassungsänderung zu beschließen. Wir sind der Auffassung, dass der eigentliche Gesetzgeber jeweils das Volk ist – die Staatsgewalt geht vom Volke aus- und das Volk kann nur mehrheitlich beschließen. Eine qualifizierte Mehrheit bei einer Volksabstimmung ist an sich schon ein Widerspruch in sich selbst […].

(Sehr gut! Bei der CDU.)

[ ]

Wir sind der Auffassung [], dass eine Verfassungsänderung mit der einfachen Mehrheit der Abstimmenden erfolgt. So kommen wir auf den gradlinigen Weg der gleichen Chancen, und ich bin der Auffassung, dass diese Elastizität notwendig ist, [ ].

Ich meine, wenn das Volk als Gesetzgeber spricht, dann muss eine Elastizität und eine Anpassungsmöglichkeit vorhanden sein. Verfassungen werden nicht für die Ewigkeit geschaffen, sondern Verfassungen sind etwas, was unter Weiterentwicklung bei Grundsatzentscheidungen der Vollkommenheit zustrebt und was jeweils unter diesen Gesichtspunkten den Verhältnissen angepasst werden soll.“

(Wiedermeier: Sehr gut!)


Theopont Diez (CDU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicher, dass die Verfassungsgebende Versammlung souverän ist. Sicher ist jedoch auch, dass sie an gewisse Grundgesetze und Grundregeln der Demokratie gebunden ist, und ich glaube, dass die Grenze dort ist, wo eine verfassungsgebende Versammlung sich selbst oder dem Landtag mehr Rechte zubilligt, als dem Volk in seiner Gesamtheit; denn ein Grundgesetz bleibt immer, dass das Volk in seiner Gesamtheit souverän ist, auch über die Verfassungsgebende Landesversammlung.

(Sehr richtig! Bei der CDU.)

Ich glaube wir müssen deshalb schon methodisch von der grundsätzlichen Entscheidung her sagen, man muss die weiter gehende Forderung fallenlassen, um nicht einem Landtag eine leichtere Änderungsmöglichkeit der Verfassung zu bieten, als man sie hier in diesem Entwurf für einen Volksentscheid bietet. Praktisch ist es doch so, dass man mit dieser Bestimmung einen Volksentscheid für alle Zeiten unmöglich macht; und ich glaube, dass sollte man nicht tun, wenn man wirklich bekennen will, dass das Volk souverän sei, auch über die Verfassung, auch über die verfassungsgebende Landesversammlung.“

 

Dr. Gebhard Müller (CDU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich wie meine beiden Herren Vorredner auf den Standpunkt stellt, dass wir eine Verfassung schaffen wollen, die 100prozentig die repräsentative parlamentarische Demokratie verwirklichen will, wobei das Volk lediglich eine dekorative Rolle zu spielen hat, so mögen die Herren Vorredner mit ihren Darlegungen recht haben. Wenn man es aber für unbedingt erforderlich hält, dass das Volk selbst an der Gestaltung der wesentlichen Dinge im Staat mitwirkt, dann muss man ihm auch die Möglichkeit geben, dies in einer Form zu tun, die den Willen der Mehrheit zum Ausdruck kommen lässt..“

(Dr. Moller: Hört, hört!)

Sie sind gewählt worden, ohne dass irgendeine Vorschrift bestimmt hätte, dass sich an dieser Wahl beispielsweise 40 Prozent beteiligen müssten. Das hat auf Ihr Mandat keinen Einfluss gehabt. Nun aber wollen Sie dem Volk, das Ihnen diese Möglichkeit gegeben hat, die Möglichkeit nehmen, bei einer Volksabstimmung mit Mehrheit seinen Willen kundzutun. Sie verlangen die Mehrheit der Abstimmungsberechtigten.

Nun werden hier in sehr „billiger“ Weise Beispiele angeführt, die vielleicht einmal vorkommen können, aber durchaus nicht den Normalfall darstellen. Normal und durchaus möglich ist aber etwa folgendes: Von 3 Millionen Stimmberechtigten beteiligen sich 60 % also 1,8 Millionen, an der Abstimmung. Von diesen 1, 8 Millionen stimmen 1,4 Millionen für die Änderung der Verfassung. Nach Ihrem Vorschlag würde damit die Änderung der Verfassung abgelehnt sein. Bei Volksabstimmung über Verfassungen sind bisher bezüglich [ ] Beteiligung an der Abstimmung nur in sehr seltenen Fällen mehr als 60 % oder 65 % erreicht worden.

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Dieses wirklich aus dem Leben gegriffene Beispiel zeigt Ihnen, dass durch eine derartige Gestaltung, wie sie Ihrer Forderung entsprechen würde, tatsächlich der Volkswille vergewaltigt wird.

[]

Wenn man an der Forderung festhält, dass die Mehrheit der Abstimmungsberechtigten zustimmen muss, dann schafft man eine Waffe, die völlig stumpf ist.

Herr Kollege Pflüger, Sie irren sich tatsächlich. Unser Antrag, dass die Mehrheit der Abstimmenden genügt ist nicht nur pro forma gestellt. [] Ich bedaure, dass Sie sich noch nicht davon überzeugt haben, wie ernst es uns damit ist, weil es sich wirklich um ein grundsätzliches Recht des Volkes und damit um eine volksnahe Demokratie handelt.“

(Beifall bei der CDU.)


Debatte um die Einführung des Volksbegehrens (mit anschließender Volksabstimmung bei Nichtannahme der Initiative), 08. Oktober 1953

Dr. Franz Hermann (CDU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU ist der Ansicht, dass das Volk, soweit irgend möglich ist, zur Beteiligung an den Aufgaben des Staates herangezogen werden sollte. Dazu gehört auch unser Antrag auf Beilage 1082, der vorsieht, dass Gesetzesvorlagen nicht nur durch die Regierung oder das Initiativbegehren der Abgeordneten, sondern auch durch das Volk eingebracht werden können. Dieser Antrag enthält eine der grundlegenden Ideen unserer Staatsauffassung. Wir bitten deswegen, diesem Antrag zuzustimmen.“

Noch einmal der Abgeordnete Franz Gog:

[… ]

Wir stehen auf dem Standpunkt, dass das Volksbegehren tatsächlich eine weitere Möglichkeit bedeutet, die Demokratie in unserem Volk lebendig zu machen, und zwar in dem Sinne, dass neben der Initiative der Regierung und neben der Initiative der Abgeordneten auch noch das Ventil der Initiative aus dem Volk direkt geschaffen werden sollte.

Es ist ein kleiner Unterschied, [ ], zwischen der Initiative des Volkes direkt und etwa der Initiative eines von Volksgenossen gewählten einzelnen Angeordneten.

[… ]

Es ist so, dass dann, wenn der Abgeordnete die Gesetzesinitiative ergreift, nicht unter allen Umständen ein Volksentscheid zustande kommt [..]. Würde aber die Initiative des Volkes, so wie wir das haben wollen, abgelehnt werden, dann wurde eben diese Frage dieses Gesetzes unter allen Umständen zum Volksentscheid stehen.

Ich glaube dieser Gewichtsunterschied ist doch bedeutsam genug, um tatsächlich diese beiden Dinge nicht miteinander zu verwechseln und die von uns gewünschte Institution zu befürworten.“