Heidelberg

Gegen die Verlegung des Ankunftszentrums für Geflüchtete auf das Gewann Wolfsgärten

Status: Begehren eingereicht am 9.11.2020 / Mehrheit für Bürgerinitiative am 11.4.2021

Träger: Bündnis Ankunftszentrum, Flüchtlinge, Flächenerhalt - BAFF PHV

Kurz & knapp:

Nach langen Diskussionen beschloss der Heidelberger Gemeinderat am 18. Juni, das Ankunftszentrum für Geflüchtete vom derzeitigen Standort in Patrick-Henry-Village ins Gewann Wolfsgärten zu verlegen. Der Beschluss wurde mit nur knapper Mehrheit von 24 zu 21 Stimmen gefasst.

Umstritten ist dabei zum einen der Flächenverbrauch, vor allem sehen die Kritiker des Vorhabens aber einen Mangel an Willkommenskultur bei einem Ankunftszentrum zwischen Bahngleisen und Autobahn. Die Befürworter des neuen Standorts erwarten dagegen Möglichkeiten zur Stadtentwicklung im Patrick-Henry-Village, betonen den geplanten Ausgleich für versiegelte Flächen und halten den Standort auch für nicht menschenunwürdig.

Rasch wurden in einem parteiübergreifenden Bündnis Überlegungen angestellt, ein Bürgerbegehren anzustreben. Dabei hatten die Kritiker des neuen Standorts insgesamt drei Ziele im Auge: Flächenerhalt, Unterbringung ankommender Flüchtlinge und günstigen Wohnraum. Da sich schnell abzeichnete, dass dies aus rechtlichen Gründen nicht mit einem einzigen Begehren erreichbar sein würde, wurde die Möglichkeit mehrerer paralleler Begehren erwogen. Am Ende gab es aber nur ein Begehren, das sich gegen den Gemeinderatsbeschluss vom 18. Juni wendet. Die Frage, mit der Unterschriften gesammelt wurden, lautet "Sind Sie gegen eine Verlagerung des Ankunftszentrums für Flüchtlinge an das Autobahnkreuz auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche Wolfsgärten?" Mittlerweile hat die Stadt Heidelberg und das Land Baden-Württemberg eine vom Innenministerium geleitete Projektgruppe gegründet, die die Verlagerung des Ankunftszentrum ins Patrick-Henry-Village vorantreiben möchte.

Benötigt werden für ein zulässiges Begehren rund 7.700 Unterschriften von Stimmberechtigten. Aufgrund der vom Landtag für das laufende Kalenderjahr pauschal auf den 31. März 2021 festgelegten Einreichungsfrist für Bürgerbegehren und der Corona-Pandemie wollte das Bündnis den Zeitraum bestmöglich ausnutzen und insbesondere im Vorfeld der Landtagswahl am 14. März 2021 Unterschriften sammeln. Diese Strategie wurde geändert: Man begann am Samstag, den 12. September 2020, mit der Unterschriftensammlung und und beendete sie mit der Einreichung des Begehrens mit rund 10.000 Unterschriften am 9. November 2020 erfolgreich. Somit konnte der Gemeinderat schon am 17. Dezember über die Zulässigkeit entscheiden und den Termin für einen Bürgerentscheid festsetzen. Das Bündnis schlug vor, diesen am Tag der Landtagswahlen durchzuführen.

Der Oberbürgermeister entwickelte unterdessen die Idee, parallel einen zweiten Bürgerentscheid laufen zu lassen, der sich mit den Plänen zum Patrick-Henry-Village beschäftigt. Er wollte aber nicht am 14. März abstimmen lassen, da seines Erachtens dann die automatische Zustellung von Briefwahlunterlagen zu den Bürgerentscheiden nicht gewährleistet werden könne.

Darauf reagierte die Bürgerinitiative. Sie begrüßte im Sinne rascher, konstruktiver Lösungen weitere Entscheide und kündigte hierzu ihrerseits Vorschläge an. Allerdings stellte sie klar, dass der Abstimmungstermin 14. März für sie indiskutabel sei - da Teile des Gemeinderats hinter dem Begehren stehen, werde es ohne sie nicht zur Zwei-Drittel-Mehrheit für ein Ratsreferendum reichen. Der Grund, warum sie den Tag der Landtagswahl für wichtig hält, ist dabei naheliegend: In Heidelberg ist das 20-%-Zustimmungsquorum beim Bürgerentscheid schwer zu erreichen, und ein unecht gescheiterter Bürgerentscheid nützt niemandem. Am Tag der Landtagswahl wäre die Chance, das Quorum zu erreichen, erfahrungsgemäß wesentlich höher.

Am 17. Dezember wurde das Begehren für zulässig erklärt, der Termin des Bürgerentscheids aber auf den 11. April, den letzten Tag der Osterferien, festgesetzt. Der Vorschlag eines Ratsreferendums fand nicht die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit.

Nach dem positiven Entscheid über die Zulässigkeit äußerte der Oberbürgermeister öffentlich den Plan, die Fragestellung für den Bürgerentscheid um einen Abschnitt zu ergänzen, in dem erläutert werde, dass Heidelberg über keine alternativen Standorte verfüge. Dies kritisierte die BI zu Recht als rechtswidrigen Vorschlag.

Am 17. März wurde die Infobroschüre zum Entscheid als Beilage zum Stadtblatt an die Haushalte ausgeliefert. Am 19. März fand eine digitale Informationsveranstaltung statt, an der beide Seiten mit gleicher Redezeit und unter neutraler Moderation teilnahmen. Eine Aufzeichnung wurde auf dem städtischen Youtube-Kanal angeboten. Daneben führte die Stadt drei weitere Online-Termine ohne die Bürgerinitiative durch, die ebenfalls auf dem Youtube-Kanal zur Verfügung gestellt werden sollen. Auch die Bürgerinitiative führte eigene Online-Formate durch.

Am Tag der Abstimmung sprach sich eine klare Mehrheit von rund 70 Prozent der Abstimmenden im Sinne des BAFF gegen die Verlegung ins Gewann Wolfsgärten aus. Das Quorum wurde erreicht. Damit liegt - anders als beim letzten Heidelberger Bürgerentscheid - ein gültiger Entscheid vor.

Ergebnisse des Bürgerentscheids

Abstimmungsberechtigte: 109.204

Abgegebene Stimmen: 43.364 (39,86%)

Ja-Stimmen: 30.496 (70,33%)

Nein-Stimmen: 12.868 (29,67%)

Zustimmungsquorum von 20%: 21.841

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