Gesetzentwurf zur Ermöglichung von Einwohneranträgen

Der Gesetzentwurf auf einen Blick:

 

  • Durch einen Einwohnerantrag können Einwohner den Gemeinderat beauftragen, sich mit einer bestimmten Frage zu befassen und dazu eine Entscheidung zu treffen.

  • Antragsberechtigt sind alle Einwohner ab dem 14. Lebensjahr, benötigt werden Unterschriften von 1% der Einwohner (höchstens 500)

  • Streichung der zweiwöchigen Einreichungsfrist

  • Verzicht auf Themenausschlüsse innerhalb gemeinderätlicher Kompetenz

  • Verkürzung der Wiederholungssperre auf 6 Monate

  • Zwingende Anhörung

  • Begründung lediglich als „Soll“-Vorschrift

  • Nachreichung von Unterschriften möglich

  • Einführung des Instruments auch auf der Landkreis- und Regionsebene

 

Zusammenfassung des Gesetzentwurfs mit Erläuterungen:

 

§ 20b der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg soll folgende Fassung erhalten:

 

§ 20b Einwohnerantrag

  1. Einwohner, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können beantragen, dass der Gemeinderat über eine bestimmte Angelegenheit der Gemeinde, für die der Gemeinderat zuständig ist, berät und entscheidet.

Erläuterung:Nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sollen alle Einwohner ab dem 14. Lebensjahr antragsberechtigt sein. Wie die Erfahrungen in diesen Bundesländern zeigen, besteht kein Anlass, ein höheres Lebensalter vorauszusetzen, zumal die Entscheidung über den Antrag in allen Fällen ohnehin der Gemeinderat treffen wird. So können bereits Jugendliche ihre Anliegen artikulieren und sich an einem demokratischen Prozess beteiligen. Wie in fast allen anderen Bundesländern sollen alle Einwohner der Gemeinde unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft antragsberechtigt sein. Es soll keine weiteren thematischen Einschränkungen geben. Der Gemeinderat soll in der Sache nicht nur beraten, sondern auch entscheiden.

  1. Der Antrag von Einwohnern muss schriftlich eingereicht werden und soll eine Begründung enthalten. Er muss Namen und Anschriften von zwei oder drei Vertrauensleuten nennen. Die Gemeinde hilft in den Grenzen ihrer Verwaltungskraft den Einwohnern bei der Abfassung des Antrags.

Erläuterung: Nach dem Vorbild anderer Bundesländer ist bei Einreichung keine Frist zu beachten. Bislang gilt in Baden-Württemberg eine äußerst restriktive 2-Wochen-Frist nach Gemeinderatsbeschlüssen, die derartige Anträge faktisch verhindert hat. Eine Begründung ist lediglich als „Soll“-Regelung vorgesehen aber nicht mehr zwingend für die Zulässigkeit erforderlich. Die Zahl der Vertrauensleute wird festgelegt.

  1. Der Antrag muss mindestens von 1 vom Hundert der Einwohner, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, unterzeichnet werden, höchstens jedoch von 500 Einwohnern. § 3a des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes findet keine Anwendung. Jede Unterschriftenliste muss den vollen Wortlaut des Einwohnerantrags enthalten. Ergibt die Unterschriftenprüfung durch die Gemeinde, dass die Zahl der gültigen Unterschriften nicht ausreicht, können weitere Unterschriften nachgereicht werden.

Erläuterung: Nach dem Vorbild der bayerischen Gemeindeordnung soll die Zahl der notwendigen Unterstützungsunterschriften für einen Einwohnerantrag auf 1 % der Einwohner festgesetzt werden. Um Einwohneranträge in größeren Gemeinden nicht unnötig zu erschweren, soll zudem eine Obergrenze von maximal 500 benötigten Unterschriften gelten. Zum Vergleich: In Thüringen werden maximal 300 Unterschriften verlangt. Die Nachreichung von Unterschriften wird möglich.

  1. Der Antrag braucht nicht beraten und entschieden zu werden, wenn in derselben Angelegenheit innerhalb der letzten sechs Monate vor Eingang bereits ein zulässiger Einwohnerantrag gestellt worden ist.

Erläuterung: Die bisherige einjährige Sperrfrist wird auf sechs Monate verkürzt, weil auch für den Gemeinderat selbst eine entsprechende 6-Monats-Frist gilt, wenn er in derselben Angelegenheit nochmals beraten will.

  1. Über die Zulässigkeit des Antrags von Einwohnern entscheidet der Gemeinderat unverzüglich, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach Einreichung des Einwohnerantrags. Zulässige Einwohneranträge hat der Gemeinderat unverzüglich zu beraten und zu entscheiden. Mit Einverständnis der Vertrauensleute können die Beratung und Entscheidung auch auf einen späteren Zeitpunkt festgesetzt werden. Die Vertrauensleute oder ein von ihnen benannter Sachverständiger haben Anhörungsrecht im Gemeinderat bzw. zuständigen Ausschuss.

Erläuterung: Nach dem Vorbild anderer Bundesländer werden Fristen für die Behandlung durch den Gemeinderat gesetzt, so dass keine Verschleppung gegen den Willen der Antragsteller möglich ist. Die Vertrauensleute erhalten ein Recht auf Anhörung im Gemeinderat.

  1. Gegen eine verweigerte Zulassung eines Einwohnerantrags kann jeder Unterzeichner den Verwaltungsrechtsweg beschreiten. Über den Widerspruch im Vorverfahren entscheidet die Rechtsaufsichtsbehörde kostenfrei.

Erläuterung: Nach dem Vorbild anderer Bundesländer wird der Widerspruch bei der Aufsichtsbehörde kostenfrei.

  1. Absätze 1 bis 6 gelten entsprechend in einer Ortschaft für eine Behandlung im Ortschaftsrat. Für die erforderliche Zahl der Unterschriften ist in diesem Fall die Zahl der in der Ortschaft wohnenden Einwohner maßgebend, die das 14. Lebensjahr vollendet haben. Über die Zulässigkeit des Einwohnerantrags entscheidet der Ortschaftsrat. Entsprechendes gilt für Gemeindebezirke in Gemeinden mit Bezirksverfassung.

Um Einwohneranträge auch auf der Ebene von Landkreisen und Regionen zu ermöglichen, werden diese Regelungen identisch auch in die Landkreisordnung (§17a), in das Landesplanungsgesetz (§ 35a) und in das Gesetz über die Errichtung der Region Stuttgart (§ 7a) eingefügt. Da Kreistage und Regionalversammlungen seltener tagen als Gemeinderäte, wird lediglich die Frist für die Zulässigkeitsentscheidung nach Einreichung von sechs auf zwölf Wochen verlängert. Die Gemeinden der Landkreise bzw. Regionen werden bei der Unterschriftenprüfung zur Amtshilfe verpflichtet.

Vollständiger Gesetzentwurf zum Downloaden.