Integrierte Stichwahl: Innovatives Wahlverfahren für Bürgermeister und Landräte

Wer gewinnt eigentlich bei einer OB-Wahl am Ende? Ist es der oder die Kandidat/in mit dem größten Rückhalt im Wahlvolk? Man sollte es annehmen, doch so einfach ist es nicht. Das derzeitige Wahlverfahren für den Posten des Bürgermeisters weißt fundamentale Schwächen auf: Wird im ersten Wahlgang kein Kandidat mit einer absoluten Mehrheit gewählt, können im zweiten Wahlgang alle Kandidaten noch einmal antreten und dann gewinnt der oder diejenige mit den relativ meisten Stimmen. Da beim zweiten Wahlgang erfahrungsgemäß eher weniger Bürgerinnen und Bürger zur Abstimmung gehen, kommt es vor, dass Oberbürgermeister mit sehr geringer Legitimation ins Amt gelangen. Ein Beispiel ist der kürzlich gewählte OB in Konstanz, am Ende haben sich gerade 17 % aller Wahlberechtigten für diesen Kandidaten ausgesprochen.

 

Noch schwerwiegender sind jedoch die Verzerrungen des Wählerwillens, die ein solches System provozieren kann: angenommen drei Kandidaten treten an. Der Erste bekommt 33, die Zweite 28 und die Dritte 13 Prozent der abgegebenen Stimmen. Treten alle drei KandidatInnen im zweiten Wahlgang noch einmal an, wird Kandidat Eins höchstwahrscheinlich mit seinem 33 Prozent gewinnen, denn im zweiten Wahlgang ist die relative Mehrheit ausreichend. Angenommen von der parteipolitischen Ausrichtung stehen sich Kandidatinnen Zwei und Drei näher als sie jeweils zu Eins stehen. Dann ist anzunehmen, dass viele Anhänger der relativ aussichtslosen Kandidatin Drei sich eher für Kandidatin Zwei entscheiden würden als für Eins, falls die eigene Kandidatin Drei nicht gewinnen sollte. Diese zusätzlichen Stimmen würden Kandidatin Zwei zur Gewinnerin über Kandidat Eins machen. In der Realität zieht jedoch Kandidat Eins für die nächsten 8 Jahre ins Rathaus ein.


Um genau den Kandidaten herauszufiltern, mit dem der größte Anteil der Wählerinnen und Wähler am ehesten leben könnte, schlägt mehr Demokratie e.V. die sogenannte integrierte Stichwahl vor. In diesem System kann mit nur einem Wahlgang der Kandidat ermittelt werden, der auf den größten Rückhalt in der Bevölkerung verweisen kann. Das Verfahren funktioniert folgendermaßen:

Angenommen es stehen 6 KandidatInnen zur Auswahl, so kann der Wähler oder die Wählerin die Kandidaten nach Präferenz durchnummerieren. Es wird praktisch eine persönliche Präferenzliste erstellt. Es können so viele Präferenzen vergeben werden, wie es Kandidaten gibt (Beispiel I) oder auch weniger, womit diejenigen Kandidaten rausfallen, die in keinem Falle mit einer Stimme unterstützt werden sollen (Beispiel II):



Beispiel I:


  1. Anneliese = Präferenz 3

  2. Otto = Präferenz 2

  3. Reinhard = Präferenz 6

  4. Susanne = Präferenz 4

  5. Olli = Präferenz 5

  6. Gunhild = Präferenz 1



Beispiel II:


  1. Anneliese = Präferenz 3

  2. Otto = Präferenz 2

  3. Reinhard

  4. Susanne = Präferenz 4

  5. Olli

  6. Gunhild = Präferenz 1

 


Die Auszählung der Stimmen funktioniert dann wie folgt: jeder Kandidat erhält die Stimmzettel, auf welchen er/sie als Erstpräferenz angegeben ist. Dann werden die Stimmzettel des Kandidaten mit den wenigsten Erstpräferenzstimmen neu ausgewertet und anhand der dort angegebenen Zweitpräferenzen auf die übrigen 5 Kandidaten verteilt. Dann werden wiederum die Stimmzettel des Kandidaten mit den wenigsten Stimmen von den übrig geblieben 5 Kandidaten ausgewertet und anhand der dort angegebenen Präferenzen an die 4 anderen Kandidaten verteilt, die jetzt noch im Rennen sind. Das Ganze wird so lange fortgeführt, bis ein Kandidat mehr als 50 Prozent aller abgegebenen Stimmen auf sich vereinen kann. Dieser Kandidat wird die nächste Oberbürgermeisterin oder der nächste Oberbürgermeister sein.


Die integrierte Stichwahl ist damit kostensparend, erhöht die demokratische Legitimation und spiegelt die Präferenzen der Wählerinnen und Wähler wahrheitsgetreuer wider.

Gesetz zur Einführung der Direktwahl der Landräte + integrierte Stichwahl bei Bürgermeister+ Landratswahlen

Der vollständige Gesetzentwurf zur integrierten Stichwahl steht Ihnen hier zur Verfügung.

Download (pdf)

Positionspapier zur integrierten Stichwahl

Hier finden Sie ein Positionspapier von Mehr Demokratie mit genaueren Informationen zur integrierten Stichwahl.

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