Aus den Kommunen: Drei Bürgerentscheide an einem Tag

Der vergangene Sonntag war ein Tag der Bürgerentscheide in Baden-Württemberg. In Altshausen und Edingen-Neckarhausen setzten sich die Bürgerinitiativen durch. In Lahr scheiterte sie am Zustimmungsquorum.

 

Von Christian König

 

Der 26. März war in Baden-Württemberg zwar kein Wahlsonntag, aber dafür ein Tag der Bürgerentscheide. In Altshausen, Edingen-Neckarhausen und in Lahr waren die Bürger/innen zur Abstimmung aufgerufen. Alle Entscheide kamen „von unten“ zustande, durch erfolgreiche Bürgerbegehren lokaler Initiativen.

Während es in Edingen-Neckarhausen eine klare Mehrheit gegen ein geplantes Neubaugebiet gab, setzten sich in Altshausen die Gegner/innen der vom Gemeinderat beschlossenen Bahnunterführung sehr knapp durch. In Lahr stimmte eine große Mehrheit gegen die Bebauung des Altenbergs. Da aber das Zustimmungsquorum von 20% der Abstimmungsberechtigten nicht erreicht wurde, gilt der Bürgerentscheid nun als „unecht gescheitert“.


Entscheid in Lahr scheitert am Quorum

Beim Bürgerentscheid in Lahr ging es um die Bebauung des Gebietes um das Reichwaisenhaus am Altenberg. Die Stadt Lahr beschloss am 25. Juli 2016 das Areal mit Wohngebäuden zu bebauen. 150 Wohneinheiten sollen in maximal viergeschossigen Gebäuden errichtet werden. Die Bürgerinitiative Altenberg wiederum leitete ein Bürgerbegehren gegen den Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplanes ein. Sie äußerte in verschiedener Hinsicht Kritik am Projekt, unter anderem wegen zu hoher Verkehrsbelastung, möglichen geologischen und klimatischen Problemen und wegen des Denkmalschutzes des stadthistorisch bedeutenden Reichswaisenhauses.

In den Wochen vor dem Bürgerentscheid gab es lebhafte Debatten, die in der regionalen Presse auf große Resonanz stießen. Leider spiegelte sich die breite öffentliche Auseinandersetzung nicht in der Abstimmungsbeteiligung wider. Nur 20% der Wahlberechtigten nahmen am Bürgerentscheid teil. Die Gegner/innen der Bebauung erhielten mit 70% die große Mehrheit der Stimmen. Sie scheiterten jedoch am Zustimmungsquorum. Bei Bürgerentscheiden müssen mindestens 20% aller Wahlberechtigten für einen Vorschlag stimmen, damit dieser gültig ist. In Lahr waren es nur etwas mehr als 14%. So gilt der Bürgerentscheid als „unecht gescheitert“.

Sachlich ist es keineswegs so, dass die Bürger/innen von Lahr im Umkehrschluss für eine Bebauung gestimmt haben. Tatsächlich waren nur knapp 6% der Einwohner/innen im Bürgerentscheid gegen die Rücknahme des Aufstellungsbeschlusses.

Gerade in größeren Gemeinden wirken die Regelungen des Zustimmungsquorums oft hemmend für die Beteiligung und die direktdemokratische Kultur. Eine gewonnene Abstimmung kann so trotzdem zu einer Niederlage werden, wenn einige hundert oder tausend Menschen nicht zum Bürgerentscheid gehen. Direktdemokratische Verfahren sind hier gegenüber Wahlen klar im Nachteil. Bei einer Bürgermeisterwahl ist die Kandidatin mit der Mehrheit der Stimmen die Siegerin, ohne sich zusätzlich durch ein Quorum legitimieren zu müssen.

Mehr Demokratie setzt sich für eine Abschaffung des Zustimmmungsquorums oder zumindest eine Senkung der Quoren im Rahmen einer sinnvollen Staffelung nach Gemeindegröße ein. Als Vorbild dient hier unter anderem das Nachbarland Bayern, wo eine solche Regelung bereits existiert.


Kopf-an-Kopf-Rennen in Altshausen

In Altshausen wurde das besagte Zustimmungsquorum knapp übertroffen. Das lag aber nicht an einer geringen Beteiligung, sondern am engen Ergebnis. Im Bürgerentscheid durften die stimmberechtigten Einwohner/innen über den Bau einer Bahnunterführung abstimmen. Die Gegner der Unterführung kritisierten die hohen Kosten für die Gemeinde und leiteten ein erfolgreiches Bürgerbegehren ein. Am Ende machten 67 Stimmen den Unterschied. Bei einer Beteiligung von ca. 44% lehnten 741 Bürger/innen die Bahnunterführung ab. Das reichte für einen erfolgreichen Bürgerentscheid im Sinne des Begehrens. Wie es nun weitergeht bleibt offen. Die Gegner/innen der Unterführung wollen, dass der bestehende Bahnübergang für Fußgänger/innen und Radfahrer/innen geöffnet bleibt. Die Deutsche Bahn erwägt jedoch eine komplette Stilllegung des Übergangs, an dem es in der Vergangenheit zu tödlichen Unfällen kam.


Deutliches Ergebnis in Edingen-Neckarhausen

In Edingen-Neckarhausen gab es in jeder Hinsicht ein deutliches Ergebnis. Die Bürgerinitiative „Bürgerbegehren Mittelgewann“ reichte erfolgreich ein Bürgerbegehren gegen die geplante Bebauung des Gebietes Mittelgewann ein. Nun war es an den Bürger/innen, über den Aufstellungsbeschluss der Gemeinde zu entscheiden. Knapp 33% der Abstimmungsberechtigten stimmten im Sinne der Bürgerinitiative und lehnten den Beschluss der Gemeinde ab. Das Neubaugebiet kann also nicht in der geplanten Form errichtet werden. Die Abstimmungsbeteiligung lag bei knapp 50%. Die Bürgerinitiative sprach gegenüber der Lokalpresse von einem guten Tag für die Bürgerbeteiligung und einem Ergebnis mit befriedender Wirkung.


Fazit

Direkte Demokratie auf kommunaler Ebene wirkt. In allen Gemeinden haben die Bürger/innen mit ihren Anliegen die Mitsprache der örtlichen Bevölkerung ermöglicht und die Abstimmungen gegen die Beschlüsse des Stadt- oder Gemeinderats gewonnen. Auch wenn die geringe Abstimmungsbeteiligung in Lahr unterschiedliche Gründe hat, zeigt der dortige Bürgerentscheid dass eine faire direkte Demokratie eine bürgerfreundliche Reform der Quorenregelung braucht.

 

Die genauen Ergebnisse finden Sie auf den Webseiten der Kommunen Altshausen, Edingen-Neckarhausen und Lahr.

Dieses Positionspapier von Mehr Demokratie geht der Frage nach dem Sinn und Unsinn von Quoren nach.

 

Die Übersicht der aktuellen Bürgerbegehren in Baden-Württemberg: https://www.mitentscheiden.de/12430.html