Bericht: Das Losverfahren in Antike und Gegenwart

Am Donnerstag, den 30. Januar, fanden sich an der Uni Stuttgart um die 100 Personen ein, die sich für das Losverfahren in der Antike und Gegenwart interessierten.

Der Althistoriker Prof. Dr. Holger Sonnabend begann den Abend mit seinem Vortrag zum Losverfahren in der Antike. Dabei ging er unter anderem genauer auf das Verfahren des Auslosens ein: Ehe eine Losmaschine entwickelt wurde, was allein die Bedeutung des Losverfahrens für die alten Athener unterstreiche, kam das Bohnenlos zur Anwendung. Beim Bohnenlos wurden für die Anzahl der zu besetzenden Ämter weiße Bohnen in ein Gefäß mit schwarzen Bohnen gegeben. Insgesamt waren so viel Bohnen wie Amtsanwärter vorhanden. Wer eine weiße Bohne zog, bekleidete ein Amt. Wer eine schwarze Bohne zog, ging leer aus. Je nach Anzahl der Bewerber und Ämter konnte die Menge der benötigten Bohnen sehr groß werden.

Vor allem erklärte Sonnabend die Relevanz des Losverfahrens für die antike Demokratie. Anfangs mochte man darin einen Ausdruck des göttlichen Willens gesehen haben: Die Götter trafen die Wahl. Vorrangig aber sahen die Athener die entpersonalisierende Wirkung des Loses: Während Wahlen immer von subjektiven Gefühlen geprägt seien, sei das Losverfahren objektiv. Es mache keinen Unterschied zwischen Reichen und Armen, Gebildeten und Ungebildeten und richte sich nicht nach äußeren Merkmalen. Damit konnte mit dem Los am besten gewährleistet werden, dass Amtsinhaber wechselten und jeder die gleiche Chance hatte, ein Amt zu erreichen.

 

Im Anschluss an Sonnabends Vortrag berichtete unser geschäftsführender Bundesvorstand Roman Huber über Bürgerräte. Am Beispiel Irland machte er deutlich, wie schwierige, polarisierende Themen – in Irland waren dies etwa die Ehe für alle oder das Abtreibungsrecht – in einem Bürgerrat einer Lösung zugeführt werden können. In diesem Prozess, in dem zufällig ausgeloste Bürgerinnen und Bürger Expertenmeinungen hören und die unterschiedlichsten Menschen miteinander eine Lösung suchen, können solche Konflikte befriedet werden.

Weiter schilderte Huber den Bürgerrat Demokratie, den Mehr Demokratie e.V. 2019 initiiert hatte. Dort ging es um Auswege aus der Krise der Demokratie. In einem anschaulichen Film wurde gezeigt, wie die Teilnehmenden auf ihre Auslosung reagierten und den Bürgerrat wahrnahmen. Alle fühlten sich geehrt und spürten eine große Verantwortung, ein gutes Gutachten zu erstellen. Dieses Bürgergutachten wurde am 15. November 2019 in einem Festakt an Bundestagspräsident Schäuble übergeben. Nun liegt es an der Politik, die ausgearbeiteten Forderungen ernstzunehmen und darüber abzustimmen.

 

Nach dem Vortragsteil gab es die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Dabei wurde zum Beispiel geklärt, dass die Demokratie Athen nicht geschadet habe: Im Gegenteil, in dieser Zeit stieg der Stadtstaat zur Vormacht in Griechenland auf. Roman Huber erzählte vom geplanten Bürgerrat Klima, der im Herbst stattfinden soll.