Bürgerbegehrensbilanz 2015: Rottweil, Au und Eisingen zeigen - direkte Demokratie funktioniert auch in schwierigen Fällen!

Bürgerbegehrens-Bilanz 2015: Bürger wollen sich wieder verstärkt einbringen: Bei seiner alljährlichen Auswertung der Bürgerentscheide in Baden-Württemberg verzeichnet der Verein Mehr Demokratie einen deutlich stärkeren Willen der Bürger sich per direkter Demokratie zu beteiligen als zum Tiefpunktjahr 2014.  

Von Sarah Händel

 

Insgesamt sind 2015 27 Bürgerbegehren von Bürgerinitiativen angestoßen worden. Bei insgesamt 17 Bürgerentscheiden (7 in 2014) in den 1101 Gemeinden, konnten die Bürger/innen an der Urne ihr Votum in der Sache abgeben. In etwas weniger als der Hälfte der Entscheide konnte die Bürgerinitiative die Mehrheit der Abstimmenden von ihrem Vorschlag überzeugen. Dass sich der Bürgereinsatz oft lohnt, zeigen auch die sechs Fälle, in welchen der Gemeinderat das Anliegen der Bürger übernommen hat, noch bevor es zu einem Entscheid kam. Alles in allem erleben immer noch zu wenig Gemeinden eine Bürgerabstimmung, im Schnitt seltener als alle 60 Jahre. Damit die direkte Demokratie die repräsentative fruchtbar ergänzen kann, müssen wir alle mehr Erfahrungen damit sammeln. Die im Dezember beschlossenen Reformen geben dafür den Startschuss!


Für große Unzufriedenheit und nachhaltige Enttäuschung sorgen regelmäßig Bürgerabstimmungen, bei welchen sich an der Urne eine Mehrheit für einen Vorschlag ausgesprochen hat, dann aber am Quorum scheitert und deswegen das Votum nicht umgesetzt werden muss. Auch nach der Reform der Gemeindeordnung bleibt dieses Problem bestehen, wie erst kürzlich der Bürgerentscheid in Rheinfelden (31.01.) gezeigt hat. Mehr Demokratie fordert eine Abschaffung des Quorums. Wie bei den Wahlen auch, sollte die Abstimmungsmehrheit entscheiden.


Geradezu exemplarisch für ein Verfahren, welches Demokratie-Vertrauen schädigt statt stärkt, war im letzten Jahr der Fall Radolfzell. Weniger als 1 Prozent fehlten bei der Abstimmung, um das damals geltende Quorum von 25 Prozent zu erreichen. Die Stadt Radolfzell hatte zunächst der Initiative verwehrt ihre Argumente in der Abstimmungsbroschüre darzulegen. Nur um dann noch eins drauf zu legen und die eindeutige Mehrheitsentscheidung der Bevölkerung gegen das 24 Millionen teure Projekt einer Unterführung einfach zu übergehen. Solche Großprojekte gegen den Mehrheitswillen der Bürger durchzudrücken erinnert an die Basta-Politik vergangener Zeiten. Für ihr bürgerfernes Verhalten verleiht der Verein der Stadt Radolfzell die Demokratie-Gurke 2015.


Dass Bürgerbeteiligung auch bei heiklen Entscheidungen gelingen kann, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, hat die Stadt Rottweil mit Unterstützung des Staatsministeriums bewiesen. Um den Bürgerentscheid zum umstrittenen Großgefängnis vorzubereiten, wurde eigens eine Begleitgruppe mit allen Initiativen ins Leben gerufen. Auch nach dem Entscheid, der pro Gefängnis ausging, besteht diese nun fort und beteiligt verschiedene Gruppen an einer guten Einbettung des Gefängnisses in die Kommune. Für so viel Bürgernähe erhält Rottweil vom Verein die Demokratie-Rose 2015.


Auch bei zwei weiteren herausfordernden Abstimmungen zum Bau von Flüchtlingsheimen in Au und Eisingen haben die Bürger/innen und die Gemeinderäte Verantwortung und Sensibilität an den Tag gelegt. Sowohl in Eisingen als auch in Au gab es faire Abstimmungen, die jeweils mit einer Bürgermehrheit für den Bau der Flüchtlingsheime und damit einer Befriedung der Situation endeten.

 

Hier finden Sie die detailliertere Zusammenfassung der Bürgerbegehrensbilanz 2015.

Hier eine Übersicht aller Fälle

 

Hier finden Sie zudem eine Stellungnahme von Mehr Demokratie zur Rolle der direkten Demokratie in Zeiten der Flüchtlingsbedatte.