Aktuell: Das neue Abgeordnetengesetz und ein möglicher Volksantrag

Die Änderung des Abgeordnetengesetzes, vor allem die darin enthaltene neue Regelung der Altersvorsorge für Abgeordnete, erhitzt derzeit die Gemüter im Land. Unmut wurde laut nicht nur aufgrund der konkret beschlossenen Inhalte sondern auch bezüglich der Art und Weise die Änderungen im Schnellverfahren ohne gründlichere Debatten und Erklärungen durchzuführen. Was ist genau passiert und welche Rolle können jetzt die Verfahren der direkten Demokratie spielen?

 

Der Landtag hat in einem Eilverfahren, wie es sonst nur in Ausnahmefällen genutzt wird, am 09. Februar eine Änderung des Abgeordnetengesetzes beschlossen. Darauf einigten sich die Fraktionschefs von Grünen, CDU, SPD und FDP zwei Tage zuvor. Einerseits wurden eine Erhöhung der Kostenpauschalen und eine höhere Entschädigung von Mitarbeiter/innen beschlossen. Andererseits wurde die Altersvorsorge angepasst. Abgeordnete können fortan die staatliche Altersversorgung als Alternative zur privaten Vorsorge wählen. Dabei wurde noch 2008 die staatliche Altersvorsorge abgeschafft, um gleichzeitig mit einer Erhöhung der Diäten die private Altersvorsorge zu erleichtern. Aufgrund der nun verabschiedeten Regelungen, die zum 1. Mai in Kraft treten, wurde an vielen Stellen Kritik laut. Den Abgeordneten wurde eine „Selbstbedienungsmentalität“ vorgeworfen. In der Tat hat das Verfahren, so wie es stattgefunden hat, mindestens ein Gschmäckle. Angesichts des großen öffentlichen Protests ist es durchaus legitim zu überlegen, mithilfe der Instrumente der direkten Demokratie den Fraktionen im Landtag zu signalisieren, dass die Bürgerschaft eine gründliche Debatte verlangt und sich nicht mit einem Abgeordnetengesetz im Schnellverfahren begnügt.


Ein mögliches Instrument dazu ist ein Volksantrag. Das Instrument „Volksantrag“ ist durch eine Verfassungsänderung 2015 eingeführt worden und seit Mai 2016 für die Bürger/innen nutzbar. Für einen Volksantrag müssen 0,5 Prozent der Unterschriften alle baden-württembergischen Wahlberechtigten gesammelt werden. Ist er zulässig hat man damit das Recht erwirkt im Landtag oder im behandelnden Ausschuss vorsprechen zu können und es muss eine Entscheidung der Abgeordneten zum eingebrachten Antrag stattfinden.


Prinzipiell ist auch ein Antrag auf Volksbegehren möglich, dafür braucht es 10.000 Unterschriften. Beide Verfahren können, wenn eine Gesetzentwurf zugrunde liegt, auch als erste Stufe auf dem Weg zu einem landesweiten Volksentscheid gewertet werden. Da beide Instrumente verschiedene Möglichkeiten und Hürden mit sich bringen und verschiedene rechtliche Bestimmungen und Verfahrensregelungen zu beachten sind, prüfen wir momentan die Optionen sorgfältig. Der Start einer rechtlich gültigen Unterschriftensammlung kann deshalb nicht von einem Tag auf den anderen erfolgen. Wir führen derzeit noch Gespräche mit möglichen Bündnispartnern.
Sobald diese Klärungsphase abgeschlossen ist, informieren wir Sie. Am besten bleiben Sie auf dem Laufenden bleiben, indem Sie uns bei facebook oder Twitter folgen.

Informationen zu den Verfahrensregeln finden Sie auf unserer Homepage.

 

Zum gestrigen Bericht bei SWR aktuell bezüglich der Sache:

swrmediathek.de/player.htm

 

Update: Am heutigen Dienstag gab es eine Pressekonferenz der Fraktionschefs von Grünen, CDU, SPD und FDP. Ergebnis: Das Abgeordnetengesetz zur Altersvorsorge wird zurückgenommen und es soll eine Expertenkommission eingesetzt werden. Dort sollen Vorschläge für ein neues Gesetz erarbeitet werden. Andreas Schwarz, Fraktionsvorsitzender der Grünen, dazu: "Wir sind bereit, ein vom Landtag Baden-Württemberg beschlossene Gesetz zu korrigieren, rückgängig zu machen (...) Wir haben verstanden."

 

Dazu haben wir folgende Stellungnahme veröffentlicht:

 

Mehr Demokratie bekundet Respekt vor der Entscheidung der Fraktionsvorsitzenden im Landtag, ihren Politikstil zu korrigieren und den umstrittenen Gesetzentwurf zur Altersvorsorge von Abgeordneten wieder zurückzuziehen. „In der Expertenkommission wollen wir mitwirken, um dort Vorschläge zu unterbreiten, wie mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung bei zukünftigen Änderungen des Abgeordnetengesetzes erreicht werden kann“, so Edgar Wunder, Landessprecher von Mehr Demokratie Baden-Württemberg. Das schnelle Einlenken belege die positive Vorwirkung der Instrumente direkter Demokratie. „Allein durch die Möglichkeit ihrer Anwendung sind die politischen Vertreter bereit umstrittene Entscheidungen noch mal zu überdenken“, kommentiert Wunder die aktuellen Entwicklungen.