Sechs Bürgerentscheide am Tag der Bundestagswahl

In Baden-Württemberg fanden am 24. September parallel zur Bundestagswahl sechs Bürgerentscheide statt. Bei allen Entscheiden gab es eine überdurchschnittliche Beteiligung, überall wurden die Zustimmungsquoren erreicht.

 

Am Tag der Bundestagswahl fanden drei Ratsreferenden und drei auf erfolgreiche Bürgerbegehren folgende Bürgerentscheide statt. Das Themenspektrum reichte von Windrädern über den Erhalt von Kindergärten bis hin zu einem Absetzgelände der Bundeswehr.
Die Zusammenlegung von Bürgerentscheiden mit Wahlterminen wird häufig angestrebt und ist aus der Sicht von Mehr Demokratie auch aus verschiedenen Gründen empfehlenswert:

 

  • sie spart der Gemeinde Kosten und Mühen,
  • sie garantiert eine hohe Beteiligung,
  • eine hohe Beteiligung erhöht die Akzeptanz der Entscheidung,
  • eine hohe Beteiligung erleichtert das Erreichen des Zustimmungsquorums,
  • eine hohe Beteiligung verhindert den Einfluss einer aktiven Minderheit.


Die Bürgerentscheide im Überblick


Balgheim - Bau von Windrädern

In Balgheim stimmten die Bürger/innen über die Errichtung von Windkraftanlagen ab. Vorausgegangen war ein erfolgreiches Bürgerbegehren. Die Abstimmungsfrage lautete: "Sind Sie gegen die Verpachtung von Flächen in den Distrikten "Seitenried" und "Breite Steig" zur Errichtung von Windkraftwerken?".
Die Abstimmungsbeteiligung in der Gemeinde lag bei 78,5 Prozent. Das ist überdurchschnittlich hoch und bis dato der zweitbeste Wert in diesem Jahr. Von den Abstimmenden stimmten 57,6 Prozent für den Vorschlag der Bürgerinitiative und damit gegen die Verpachtung der Flächen für den Bau von Windrädern.
Bemerkenswert ist zudem, dass die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl in Balgheim um sage und schreibe 22,4 Prozent gestiegen. Es ist durchaus naheliegend, dass auch der Bürgerentscheid mehr Menschen zur Stimmabgabe bei der Bundestagswahl bewegt hat.


Bitz - Einführung von flächendeckendem Tempo 30

Der Gemeinderat von Bitz beschloss bereits im Oktober 2016, dass am Tag der Bundestagswahl ein Bürgerentscheid über die flächendeckende Einführung von Tempo 30 im Ort druchgeführt werden soll. Diesem Ratsreferendum gingen Streitigkeiten in Bitz voraus, nachdem der Gemeinderat im März 2015 diese Tempo 30-Zone beschlossen hatte. Über diese Frage sollte nun die gesamte Gemeinde verbindlich in einem Bürgerentscheid abstimmen.
Das Ergebnis war eindeutig. Bei einer Abstimmungsbeteiligung von 76,2 Prozent stimmten 70,6 Prozent der Abstimmenden gegen die flächendeckende Einführung von Tempo 30 im Ort. Die Beteiligung war fast so hoch wie die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl. Das ist umso höher zu bewerten, da die Zahl der Abstimmungsberechtigten bei Bürgerentscheiden größer ist. Hier dürfen auch Jugendliche ab 16 Jahren abstimmen, die aber von der Bundestagswahl ausgeschlossen sind. Auch in Bitz stieg die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl stärker als im gesamten Bundesland. Hier kann ebenfalls ein "Mitnahme-Effekt" des Bürgerentscheids in Betracht kommen.


Großrinderfeld - Bau eines "Riesenwindrads"

Auch in Großrinderfeld gab es einen Bürgerentscheid über den Bau einer Windkraftanlagen. Genauer ging es darum, dass die Gemeinde am 30. Mai einen alten Beschluss aufhob, der die zulässige Höhe von Windrädern auf dem Gemeindegebiet begrenzte. Damit wurde die Errichtung eines "Riesenwindrads" möglich, dass eine Gesamthöhe von 207 Metern haben sollte. Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtete sich das Bürgerbegehren der Initiative "Pro Bürger - Contra Riesenwindrad". Sie reichte im Juli ein erfolgreiches Bürgerbegehren ein mit der Frage: "Sind sie gegen den Aufhebungsbeschluss des Gemeinderates für den bestehenden Bebauungsplan Flachslanden, Heßberg und Werbachhäuser Berg?".
Eine große Mehrheit, nämlich 69,6 Prozent der Abstimmenden votierte mit "Ja" und damit gegen den Bau sehr hoher Windräder. Die Beteiligung lag bei 76 Prozent. Auch in Großrinderfeld stieg die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl höher an als im Landesdurchschnitt. Sie lag hier bei 83,7 Prozent.


Haiterbach - Absetzgelände des KSK

In Haiterbach fand am Tag der Bundestagswahl ein Ratsreferendum statt. Thema war die Errichtung eines Absetzgeländes für das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr im Bereich Dürrenhardter Hof. Die Bürgerinitiative „Kein Fluglärm über Haiterbach und für einen Bürgerentscheid“ sammelte Unterschriften für ein Bürgerbegehren, um das Absetzgelände zu verhindern. Da das Gelände vom Land Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem Bund ausgewählt wurde, lag die Verhinderung des Geländes nicht allein in der Kompetenz der Stadt. Die Frage des Bürgerbegehrens lautete deshalb: "Sind Sie dafür, dass die Stadt Haiterbach alle rechtlich zulässigen Maßnahmen ergreift, um zu erreichen, dass das geplante KSK-Übungsgelände mit Flugplatz beim Dürrenhardter Hof nicht realisiert wird?" Da das Bürgerbegehren aufgrund formaler Fehler Gefahr lief, für unzulässig erklärt zu werden, übernahm der Gemeinderat das Anliegen und beschloss im Juni einen Bürgerentscheid mit der gleichen Fragestellung.
61% der Abstimmenden machten ihr Kreuz bei "Ja", stimmten also für den Vorschlag der Initiative und dafür, dass die Stadt alles unternimmt, um das Übungsgelände zu verhindern. Die Abstimmungsbeteiligung lag bei 70,6 Prozent. Wie bei allen anderen Bürgerentscheiden vom 24.09. war das 20%-Zustimmungsquorum damit keine Hürde.


Kleines Wiesental - Erhalt von Kindergärten

In der Gemeinde Kleines Wiesental drehte sich am Abstimmungstag alles um die Zusammenlegung von Kindergärten. Der Gemeinderat beschloss im Mai 2017 die Schließung der vorhandenen Kindergärten an den Standorten Neuenweg, Wies und Wislet, um sie durch einen zentralen Kindergarten zu ersetzen. Nach der Beschlussfassung im Mai formierte sich eine Bürgerinitiative, die Mitte Juni mit der Sammlung von Unterschriften beginnen wollte. Jedoch wurde der Beschluss der Gemeinde von der Kommunalaufsicht des Landratsamtes annulliert, da die Ortschaftsräte bei der Entscheidung nicht mit einbezogen wurden. Dem Bürgerbegehren wurde so die Grundlage für eine Fragestellung entzogen. Die Bürgerinitiative startete ein neues Begehren mit einer grundsätzlichen Fragestellung zur Erhaltung der Kindergärten. Die Gemeindeverwaltung empfahl daraufhin dem Gemeinderat von sich aus über ein Ratsbegehren einen Bürgerentscheid zu veranlassen. In der Gemeinderatssitzung vom 26. Juli wurde dieser Vorschlag angenommen, der Bürgerentscheid wurde für den 24.09.2017 angesetzt. Die Abstimmungsfrage lautete: „Sind Sie dafür, dass die bisherigen Kindergarten-Standorte Neuenweg, Wies und Wieslet in den derzeitigen Altersstufen (ab zwei beziehungsweise zweieinhalb Jahren) erhalten bleiben?“.
Das Votum der Bürger/innen war eindeutig. Bei einer Abstimmungsbeteiligung von 73,8 Prozent stimmten 74,2 Prozent für den Erhalt der Kindergärten.


Leimen - Bebauung des Rathausplatzes

Auch in Leimen war der Weg zum Bürgerentscheid über die Bebauung des Rathausplatzes nicht immer geradlinig. Der Leimener Gemeinderat beschloss im September 2016 mit knapper Mehrheit die Bebauung des Rathausplatzes nach dem Konzept der Firma CMS, das eine Bebauung mit Festhalle, Restaurant und Tiefgarage vorsah. Gegen diesen Beschluss formierte sich eine Bürgerinitiative, die in ihrem erfolgreichen Bürgerbegehren knapp 3.000 Stimmen sammelte. Der Gemeinderat nahm bereits nach der Zulässigkeitsprüfung seinen Beschluss vom September zurück, außerdem wurde durch den Bürgermeister Hans D. Reinwald ein Runder Tisch eingerichtet, an den neben der Gemeindeverwaltung und der Bürgerinitiative auch andere ortsansässige Vereine saßen. Da an diesem Runden Tisch das Konzept von CMS nicht explizit ausgeschlossen wurde, legte die Bürgerinitiative erfolgreich Widerspruch gegen die Übernahme des Begehrens ein. Als Konsequenz fand am 24.09. der Bürgerentscheid statt, mit der Frage: "Sind Sie gegen eine Bebauung des Rathausplatzes nach dem Konzept der Firma CMS?".
Der Ausgang des Bürgerentscheids war deutlich. Bei einer Beteiligung von 65,2 Prozent stimmten 79,1 Prozent im Sinne der Bürgerinitiative und gegen die Bebauung nach dem CMS-Konzept.


Fazit


In allen Gemeinden wurden die Quoren ohne Probleme genommen. Überall endeten die Verfahren entgegen der Position des Gemeinderats und an allen Orten fiel die Entscheidung vergleichsweise deutlich aus.
Die Abstimmmungsbeteiligung war in allen Gemeinden überdurchschnittlich hoch und jeweils nur knapp niedriges als die Beteiligung bei der Bundestagswahl. In einigen Orten kann auch davon ausgegangen werden, dass die Bürgerentscheide einen positiven "Mitnahme-Effekt" auf die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl hatten. Es zeigt sich, dass die terminliche Zusammenlegung von Abstimmungen und Wahlen nicht nur Kosten spart, sondern auch die Beteiligung und damit letztlich die Akzeptanz der Entscheidungen erhöht wird.