Stellungnahme zum Transparenzregistergesetz
Landesvorstandssprecher Dr. Edgar Wunder vertrat Mehr Demokratie e.V. bei der Anhörung des Ständigen Ausschusses am 28.1.2021 zum geplanten Transparenzregistergesetz. Hier lesen Sie seine Ausführungen:
Der Beschluss des Transparenzregistergesetzes ist ein wichtiger und richtiger Schritt in Richtung auf mehr Transparenz bei der Gesetzgebung, den Mehr Demokratie e.V. ausdrücklich begrüßt. Der vorliegende Gesetzentwurf ist – im Vergleich zu ähnlichen laufenden Verfahren in anderen Bundesländern und auf Bundesebene – auch ein relativ guter Gesetzentwurf. Erstens weil er den Begriff der Interessensvertretung vergleichsweise weit fasst, zweitens weil er auch die Landesregierung – und nicht nur den Landtag – mit einbezieht, drittens weil er den bürokratischen Aufwand für die diejenigen, die sich registrieren lassen müssen, sehr überschaubar und gering hält.
Der Sinn einer Anhörung ist es aber nicht, Lob auszuschütten, sondern einen Gesetzentwurf kritisch zu durchleuchten. Deshalb will ich mich im Folgenden auf noch vorhandene Schwachstellen konzentrieren:
1. Unter den von der Registrierungspflicht ausgenommenen Organisationen sind äußerst wichtige Stakeholder, die selbstverständlich auch Eigeninteressen haben. Es wäre deshalb äußerst sinnvoll und wünschenswert, auch in solchen Fällen zu wissen, ob und in welcher Weise diese an einem Gesetzentwurf mitgewirkt haben. Auch wenn der Landtag – teilweise aus juristischen Gründen – hier keine Pflicht zur Registrierung vorsehen möchte, so sollte er diese Organisationen und Institutionen doch zumindest deutlich ermuntern, sich auch zu registrieren. Zum Beispiel durch eine „Soll“-Regelung oder durch eine Formulierung, dass dies wünschenswert sei. Lediglich darauf zu verweisen, dass eine freiwillige Registrierung möglich ist, ist unseres Erachtens zu schwach. Es besteht ein öffentliches Interesse daran, dass transparent wird, inwiefern auch diese Organisationen und Institutionen an einer konkreten Gesetzgebung mitgewirkt haben.
2. Die Ausschlusskriterien für die Registrierungspflicht leuchten auch inhaltlich in vielen Fällen nicht ein. Warum beispielsweise sollte es der Öffentlichkeit verborgen bleiben, wenn Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerverbände an einem Gesetzentwurf mitgewirkt haben? Warum sollten Religionsgemeinschaften – sogar unabhängig von ihrer Rechtsform – ausgenommen sein? Sie handeln sich damit jede Menge potenzielle Probleme ein, weil sich im Prinzip jeder zur Religion erklären oder sich auf religiöse Motive berufen und damit die Registrierung umgehen kann. Wäre hier nicht eine Beschränkung auf Religionsgemeinschaften sinnvoller, die „Körperschaften des öffentlichen Rechts“ sind? Jedenfalls sind alle in der Begründung des Gesetzentwurfs konkret genannten Beispiele Körperschaften des öffentlichen Rechts. Aber auch generell leuchtet die Befreiung für Religionsgemeinschaften und ihnen zugewandten Organisationen nicht ein. Der Gesetzentwurf führt z.B. dazu, dass die freien Wohlfahrtsverbände völlig ungleich behandelt werden: Die AWO muss sich registrieren, die Caritas nicht. Der Paritätische muss sich registrieren, die Diakonie nicht. Hier mit „Glaubensfreiheit“ zu argumentieren, ist für niemanden nachvollziehbar und völlig unplausibel.
3. Der Ausschluss der Registrierungspflicht für die Wahlkreisebene und für alle Anliegen mit „lokalem Bezug“ kann auch zu Problemen führen. Denn wann ein „lokaler Bezug“ vorliegt, ist recht dehnungsfähig und wird im Gesetzentwurf kaum konkretisiert. Lobbyarbeit auf der Wahlkreisebene oder zu Themen mit lokalem Bezug völlig auszublenden, ist unserer Erachtens problematisch. War beispielsweise „Stuttgart 21“ ein Thema mit nur lokalem Bezug, denn der Bahnhof ist ja nur in Stuttgart?
4. Im Gesetz nicht ausdrücklich thematisiert sind z.B. wissenschaftliche Institutionen oder dem Gemeinwohl dienende Beratungsstellen. Diese verfügen über Erfahrungen oder Erkenntnisse, die für die Gesetzgebung oft von hoher Relevanz sind und die deshalb oft auch als Sachverständige vom Landtag angehört werden. Das Motiv „zum Zweck der Einflussnahme auf den Landtag“ (Definition von Interessensvertretung laut Gesetzentwurf) würden diese Organisationen oft wohl eher nicht teilen, jedenfalls nicht als Selbstverständnis, weil es ihnen schlicht darum geht, über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse zu berichten. Hier ist die im Gesetzentwurf gegebene Definition von Interessensvertretung ggf. noch nicht passgenau.
5. Nach dem Gesetzentwurf legt die Landesregierung fest, wie die transparent zu machende „Fußspur“ eines Gesetzentwurfs genau aussehen soll, d.h. wer wie an einem Gesetzentwurf mitgewirkt hat. Das ist allerdings ein so wichtiger Punkt, dass er auch direkt im Gesetz konkretisiert werden sollte, statt es dem Belieben einer Landesregierung zu überlassen. Eigentlich ist es sogar der zentrale Punkt des gesamten Gesetzentwurfs überhaupt, denn würde de facto nicht transparent, wer wie an einem konkreten Gesetzentwurf mitgewirkt hat, wäre die vorausgehende Registrierung wenig wert.
6. In der Begründung zu § 2 Absatz 2 des Gesetzentwurfs ist von einer „öffentlichen Veröffentlichung“ die Rede. Die Formulierung erstaunt mich. Ich hatte bisher immer angenommen, alle Veröffentlichungen seien öffentlich, deshalb heißt es ja „Veröffentlichung“. Sehen Sie das anders?
7. In der Begründung zu § 3 Absatz 1 heißt es, der Landtag könne weitergehende Grundsätze integrer Interessensvertretung *zu Beginn* einer Legislaturperiode festlegen. Warum nur zu Beginn einer Legislaturperiode? Vielleicht ist dies der Regelfall, aber wäre es nicht denkbar, dass der Landtag auch zu einem späteren Zeitpunkt einer Legislaturperiode Änderungs- oder Ergänzungsbedarf erkennt und die Grundsätze entsprechend modifiziert?
Soweit einige kurze Anmerkungen. Mehr Demokratie e.V. bedankt sich für die Einladung zu dieser Anhörung und Ihre Aufmerksamkeit.