Baden-Württemberg hinkt in Sachen Transparenz weit hinterher

Mehr Demokratie präsentierte heute das erste bundesweite Transparenz-Ranking. Im Vergleich der Länder befindet sich Baden-Württemberg unter den Schlusslichtern.

Von Christian König

Mehr Demokratie veröffentlichte heute das erste bundesweite Transparenz-Ranking. Das Ranking wurde in Zusammenarbeit mit der Open Knowledge Foundation (OKF) erstellt. Für den Vergleich zwischen den Bundesländern wurden die einzelnen Gesetze zu Transparenz und Informationsfreiheit ausgewertet. Sie regeln den Zugang der Bürger/innen zu Informationen und Daten der öffentlichen Behörden und Verwaltung. Die Ergebnisse sind ernüchternd. In vielen Ländern wird es den Bürger/innen erschwert, Zugang zu öffentlichen Daten zu bekommen. Baden-Württemberg grüßt dabei als Schlusslicht der Länder, die bereits ein entsprechendes Landesgesetz verabschiedet haben.


Was ist ein Informationsfreiheitsgesetz?

Informationsfreiheitsgesetze (IFG) stehen für die Abkehr vom Amtsgeheimnis und sollen für mehr Transparenz sorgen. Sie konkretisieren das Informationsrecht, das jedem Menschen nach dem Grundgesetz zusteht. Der Zweck eines IFG ist der freie Zugang aller Menschen zu Informationen staatlicher Einrichtungen. Dadurch entsteht mehr Transparenz und mehr Vertrauen in die demokratischen Institutionen, auch weil Journalist/innen leichter an Informationen und Fakten aus erster Hand gelangen. Informationsfreiheitsgesetze sind damit ein wichtiges Element von modernen, bürgernahen Demokratien. Dennoch dauerte es bis 2005, bis auf Bundesebene ein IFG in Kraft trat. In Baden-Württemberg brauchte es sogar noch weitere zehn Jahre, um ein solches Landesgesetz auf den Weg zu bringen.


Nun wurden alle in Deutschland bestehenden Gesetze von Mehr Demokratie und der OKF unter die Lupe genommen. Der Vergleich erfolgte nach sechs Kriterien: Informationsrechte, Auskunftspflichten, Ausnahmen, Antragsstellung, Gebühren, Instanz einer/s Informationsfreiheitsbeauftragten.


Wo steht Baden-Württemberg?

Baden-Württemberg hat das jüngste Informationsfreiheitsgesetz. Dennoch belegt es gemeinsam mit Thüringen und dem Saarland den letzten Platz von den Ländern, in denen es ein IFG gibt. Hier sind die Regelungen zur Informationsfreiheit, also zu den Informationsrechten der Bürger/innen gegenüber dem Staat, bürgerunfreundlich und voller Hürden.

Die größten Defizite gibt es bei den Punkten der Informationsrechte und Auskunftspflichten. Es mangelt an Bereitschaft zu proaktiven Veröffentlichungen durch Land und Kommunen. Außerdem gibt es zu viele und ungenaue Ausnahmeregelungen von der Auskunftspflicht. Die Zahl der auskunftspflichtigen Stellen ist im Vergleich zu anderen Ländern unverhältnismäßig stark eingeschränkt. Bei den Gebühren gibt es für Baden-Württemberg 0 Punkte. Für die Anfragen existiert keine Kostendeckelung. Zudem informieren die Behörden die oder den Antragsteller/in über die entstehenden Kosten erst, wenn diese 200 Euro überschreiten.


Wo soll die Reise hingehen?

Baden-Württemberg hat ein kraftloses Informationsfreiheitsgesetz. Entgegen der damaligen Ankündigungen der grün-roten Landesregierung entstand alles andere als ein umfassendes IFG. Die zögerlichen und restriktiven Ausführungen stehen weit hinter den Inhalten bestehender Gesetze in anderen Ländern. Mehr Demokratie fordert deshalb als wichtigste Schritte zu einer Verbesserung des IFG:

 

  • eine Gebührenbefreiung oder als ersten Schritt eine Kostendeckelung
  • die Abschaffung der zahlreichen Ausnahmen bei Hochschulen, Landtag, Rundfunk und anderen Einrichtungen
  • mehr proaktive Veröffentlichungen durch Land und Kommunen statt einer Auskunft auf Nachfrage


Ein Vorbild kann der Spitzenreiter Hamburg sein. Dort gibt es seit 2012 ein Transparenzgesetz, das den Bürger/innen weitergehende Rechte einräumt. Es verpflichtet das Land , amtliche Informationen öffentlich und kostenlos im Internet zugänglich zu machen. Dazu gehören z.B. Gutachten, Senatsbeschlüsse und Verträge ab 100.000 Euro, die die Daseinsvorsorge betreffen. Heißt also: hier wurde der Wechsel von einer Holschuld der Bürger/innen hin zu einer Bringschuld der Behörden vollzogen. Allerdings wäre dieses Gesetz nie ohne den Druck der Zivilgesellschaft und der Öffentlichkeit entstanden. Mehr Demokratie führte mit gemeinsam mit anderen Organisationen eine Volksinitiative für ein Transparenzgesetz durch. Die SPD-Regierung griff die Initiative auf und setzte das Gesetz um.


Beim Blick über den Tellerrand wird der Reformbedarf in Sachen Informationsfreiheit übrigens noch deutlicher. Im internationalen Vergleich steht Deutschland nach dem RTI-Ranking auf Platz 105 von 111, hinter Kasachstan und vor Jordanien.

 

 

Die komplette Broschüre zum Ranking können Sie hier einsehen.

 

Weitere Informationen und Grafiken gibt es unter: www.transparenzranking.de

 

Außerdem können Sie hier unsere Presseinformationen zu Baden-Württemberg herunterladen.