Und jetzt auch noch TiSA? Höchste Zeit für einen demokratischen Welthandel!

Das nächste Freihandelsabkommen ist bereits in der Pipeline und hat noch weit Größeres vor als Ceta oder TTIP! Es nennt sich TiSA und soll den weltweiten Dienstleistungshandel liberalisieren und deregulieren.

 

Davon wie heikel TiSA ist, konnten wir uns am Dienstag, den 7. Februar im Forum 3 überzeugen: Harald Klimenta, Freihandelsexperte von attac, hat dort in einem beunruhigenden Vortrag die Gefahren von TiSA veranschaulicht. (Die Folien der Präsentation können Sie hier herunterladen.)


Aber was ist denn nun schon wieder TiSA?

TiSA ist ein Freihandelsabkommen über den Handel mit Dienstleistungen. Dazu zählen zum Beispiel die Wasserwirtschaft, das Bildungswesen, das Gesundheitswesen, die Entsorgungswirtschaft, Telekommunikation und Post. Ausgehandelt wird es zwischen Staaten, die sich selbst als die „Wirklich guten Freunde von Dienstleistungen“ bezeichnen. Unter diesen 23 Verhandlungspartnern sind die gesamte EU, die USA, Kanada und Steuerparadiese wie die Schweiz, Liechtenstein, Panama oder Mauritius. Diese Länder tragen zusammen ca. 70% des weltweiten Handels mit Dienstleistungen. Alle Verhandlungspartner verpflichten sich dabei, über ihre derzeitigen Maßnahmen zur Deregulierung hinauszugehen. TiSA ist also eine Einbahnstraße, die zu einer noch größeren Freiheit der Märkte und des Wettbewerbs führt.


Und was macht TiSA nun so gefährlich?

Hier sind ein paar Punkte unter vielen zu nennen:

  • Eine Stillhalte-Klausel friert die derzeit gültigen Regeln für Liberalisierung und Marktzugang als Mindestgrenze ein. Eine Rückkehr zu mehr Regulierung ist nicht mehr möglich.

  • Eine Sperrklinken-Klausel soll das gleiche für künftige Dienstleistungen bezwecken. Einmal durchgeführte Privatisierungen dürften unabhängig von ihren Folgen nicht mehr rückgängig gemacht werden.

  • Die Ausdehnung der Inländerbehandlung macht es ausländischen Unternehmen möglich, dass sie eine Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen erwirken. So können auch Privatunternehmen aus dem Ausland die gleichen Zuschüsse verlangen wie inländische staatliche Einrichtungen.

  • Eine sog. Negativliste sorgt dafür, dass nur explizit gelistete Dienstleistungen von den Wettbewerbsregeln ausgenommen sind. Zukünftige Dienstleistungen können jetzt natürlich nicht auf die Liste geschrieben und somit auch nicht geschützt werden.

  • Arbeitnehmerfreizügigkeit: ausländische Arbeitnehmer müssen aus Gründen des Diskriminierungsschutzes nicht mehr wie inländische Arbeitnehmer behandelt werden. Im Klartext heißt das, dass ein Unternehmen aus einem Billiglohnland zu seinen Bedingungen auch gering qualifizierte Kräfte für Arbeiten in ein anderes Land schicken kann. Der Druck steigt, Löhne niedrig zu halten und öffentliche Einrichtungen nach Wettbewerbsregeln auszurichten.

  • Bezüglich des Datenschutzes droht ein „race to the bottom“: Anbieter müssen ihre Server oder Niederlassung nicht mehr im Land der Dienstleistung haben. Datenschutzvergehen von facebook oder google müssten dann vor US-amerikanischen Gerichten ausgetragen werden. Weiterhin diskutiert werden eine Ende der Netzneutralität und der Offenlegungspflichten von Quellcodes.

  • Öffentliche Auftragsvergabe der Kommunen: Ausschreibungsverpflichtungen werden globalisiert, Verpflichtungen auf regionale Beschäftigung oder Beschaffung abgeschafft. Große Player, die sich niedrigere Kosten erlauben können, werden bevorzugt. Ein stärkerer Standortwettbewerb und radikaler Verdrängungswettbewerb geht zu Lasten kleinerer regionaler Betriebe.

  • Im Bereich Finanzdienstleistungen gilt bald „Alles kann, nichts wird geprüft!“. Neue Regulierungen dürfen nur erlassen werden, wenn sie weniger restriktiv sind als die vorherigen. Bei neuen Finanzprodukten bleiben nach einer EU-Idee nur vier Monate Zeit, um diesen die Zulassung zu verwehren.


TiSA ist ein politisches Projekt großer Dienstleistungskonzerne. Internationale Konzerne werden bei Vergaben wegen geringerer Kosten gegenüber regionalen Betrieben bevorzugt, Kommunen dürfen sich ihr einmal verkauftes Tafelsilber nicht mehr zurückholen. In der Summe heißt das ähnlich wie bei TTIP: mehr Standortwettbewerb und die Bestimmung der Politik durch Unternehmensinteressen!


Folgen werden die Lockerung von Arbeitnehmerrechten, Lohndumping, eine erhebliche Löcherung des Datenschutzes und mehr Wachstum auf Kosten der Nachhaltigkeit sein. Vor allem aber birgt TiSA auch Probleme für die Demokratie. Die Verhandlungen sind intransparent und für niemanden einsehbar. Verhandlungsdokumente gelangen nur durch WikiLeaks an die Öffentlichkeit. Die kommende Privatisierung staatlicher Aufgaben führt zur Entmachtung der Politik, vor allem der Kommunen. Mit TiSA wird die Möglichkeit zur demokratischen Gestaltung eingeschränkt, die demokratische Kontrolle über die Daseinsvorsorge wird aus der Hand gegeben!


Demokratie lebt zu allererst davon, dass sie für die in ihr lebenden Menschen da ist und durch diese gestaltet wird. In einer marktkonformen Demokratie aber verlieren die Bürger/innen immer mehr das Recht, sich selbst zu regieren und zu entscheiden, wie das Zusammenleben aussehen soll. TiSA ist ein weiterer Schritt zu einer solchen Demokratie. Wir müssen versuchen, das zu verhindern!


Was können wir aber tun?

Wie in den vergangenen Monaten müssen wir vor allem reden, aufklären und Widerstand organisieren. Noch besteht die Chance. TiSA liegt momentan auf Eis, aber die Verhandlungen sind schon weit vorangeschritten. Lasst uns den Druck auf Abgeordnete erhöhen. Vor allem Kommunalverbände gilt es zu überzeugen, da sich die Kommunalpolitik durch TiSA auf lange Sicht selbst abschafft.

Aber der permanente Widerstand gegen einzelne Freihandelsabkommen ist perspektivisch eine Sisyphos-Aufgabe. Derzeit verhandelt die EU neben CETA, TTIP und TiSA gleichzeitig über 20 weitere Freihandelsabkommen. Darum brauchen wir Ideen und Wege, wie wir das Ruder herumreißen und einen fairen und demokratisch kontrollierten Welthandel entwickeln können. Mehr Demokratie hat dazu ein erstes Positionspapier zur Demokratisierung von EU-Handelsvertägen veröffentlicht.


Ein weiterer Schritt ist unsere gemeinsame Kommunenkonferenz, organisiert zusammen mit attac und vielen weiteren unter dem Titel „Kommunen und Freihandel - Für bürgernahe Daseinsvorsorge und gerechten Welthandel". Sie findet am 29. April in Nürnberg statt. Hier wollen wir Kommunen vernetzen, Bewusstsein für die Gefahren des aktuellen Freihandels auf kommunaler Ebene schaffen und diskutieren, wie wir die Kommune stärken anstatt schwächen können!

 

Alle weiteren Infos zur Konferenz finden Sie in Kürze unter: www.kommunenkonferenz.de