Volksbegehren - jetzt erst recht

Verfassungsgerichtshof erklärt Kita-Volksbegehren für unzulässig

Mit Spannung wurde das Urteil des Verfassungsgerichtshofs von Baden-Württemberg zum Volksbegehren für gebührenfreie Kitas erwartet. Nachdem ursprünglich der 30. März für die Urteilsverkündung geplant war, fand sie letztlich am 18. Mai statt. Das Gericht erklärte das Begehren für unzulässig.

Die Richter hatten sich bei der Verhandlung am 20. Januar zwar nicht im Ansatz in die Karten schauen lassen, wie ihre Entscheidung ausfallen würde. Doch deutete sich an, welche Kriterien sie hauptsächlich zur Beurteilung des Falles heranziehen würden: ob es sich um ein Abgabengesetz handle – und ob der Volksgesetzentwurf hinreichend bestimmt sei. Diese Stoßrichtung war doppelt überraschend. Einerseits hatten viele erwartet, es würde auch das Staatshaushaltsgesetz zur Sprache kommen – und damit die Frage geklärt, ob Volksgesetze Geld kosten dürfen bzw. wie viel. Andererseits hatte das Innenministerium mangelnde Bestimmtheit des Gesetzes gar nicht moniert.

Am Ende kam das Gericht zu dem Schluss, es handle sich beim Gesetzentwurf des Volksbegehrens um ein Abgabengesetz, sodass es gemäß Art. 59 Abs. 3 der Landesverfassung unzulässig sei. Ferner sei der Gesetzentwurf nicht bestimmt genug, umreiße also nicht klar genug, worum es gehe bzw. was das Gesetz bewirken solle.

Dieses Urteil ist für Mehr Demokratie eine herbe Enttäuschung. Aber auch wenn der Verfassungsgerichtshof sich somit für künftige Volksbegehren potentiell viel Arbeit eingehandelt hat – siehe weiter unten – , kann man den Richtern natürlich nicht vorwerfen, ihre Aufgabe zu erfüllen und die Verfassung auszulegen. Vielmehr lässt sich aus dem Urteil schließen, dass es um die geltenden Regeln für Volkbegehren und Volksentscheide in Baden-Württemberg nicht gut bestellt ist.

Die Anforderungen an Volksbegehren sind demnach höher als an Gesetzentwürfe des Landtags: Ein Begehren muss viel genauer formuliert sein. Damit lässt sich fast jedes Begehren als zu unbestimmt zurückweisen – was Klagen nach sich ziehen wird. Wie teuer die Volksgesetzgebung werden darf, bleibt offen. Das Gerichtsverfahren dauerte rund ein Jahr, das Gericht hatte keinen Zeitdruck, anders als die Initiatoren des Begehrens, die binnen zwei Wochen ihren Widerspruch gegen die Ablehnung des Innenministeriums hatten einreichen müssen. Etliches mehr ließe sich über das Urteil hinaus anhand der Erfahrungen des Volksbegehrens Artenschutz und des Volksantrags Gemeinsam unsere Umwelt schützen in Baden-Württemberg bemängeln.

Darum müssen diese momentan gültigen Regeln überarbeitet werden. Der Gesetzgeber ist gefragt, Verfassung und insbesondere das Volksabstimmungsgesetz zu prüfen und zu überarbeiten. Mehr Demokratie e.V. ruft den Landtag auf, das Thema nicht beiseitezuschieben. Zugleich wird der Verein selbst zunächst ein Eckpunktepapier, im weiteren Verlauf einen Gesetzentwurf zur Neufassung des Volksabstimmungsgesetzes erarbeiten, um konstruktiv an der Gestaltung des Volksabstimmungsgesetzes mitzuarbeiten. Der Verein will das Urteil nicht als Enttäuschung, sondern als Ermutigung deuten: Es ist an der Zeit, die direkte Demokratie auf Landesebene voranzubringen – jetzt erst recht!