Zum Erlass des Innenministeriums über die Durchführung von Bürgermeisterwahlen und Bürgerentscheiden während der Corona-Pandemie

Offener Brief unseres Landesvorstandssprechers Dr. Edgar Wunder an die Landesregierung und die Fraktionen im Landtag

Notwendige Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise in Bezug auf
- Bürgerbegehren/entscheide
- Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Gemeinderäten
- Bürgermeisterwahlen
- Vorbereitung der Landtagswahl

Sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung,
sehr geehrte Fraktionsvorsitzende im Landtag,

mit Schreiben vom 24.3.2020 haben wir uns an Ministerpräsident Kretschmann und Innenminister Strobl gewandt mit der Bitte, umgehend verschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um in der Corona-Krise die demokratischen Institutionen funktionsfähig zu halten und deren Arbeit vorübergehend in einer Weise zuzulassen, die das Risiko einer weiteren Ausbreitung des Virus minimieren. Sie finden dieses Schreiben im Anhang. Das Innenministerium hat daraufhin heute mit einer Stellungnahme an die Regierungspräsidien und Landratsämter reagiert, die Sie ebenfalls beigefügt finden. Sie enthält lediglich Darlegungen und Empfehlungen an die Kommunen, welche Maßnahmen im Rahmen der Gemeindeordnung und anderer Landesgesetze möglich sind. Zahlreiche der von uns angesprochenen Probleme wurden dabei ausgeblendet. Es ist offensichtlich, dass die Gemeindeordnung und auch andere Landesgesetze den Fall einer derartigen Pandemie-Krise nicht bedacht haben und somit auch nur in sehr unzureichender Weise für solche Krise geeignete Verfahrensregelungen bereitstellen. Deshalb fordern wir die Landesregierung und den Landtag dazu auf, unverzüglich gesetzgeberische Schritte zu ergreifen, um die von uns im vorausgehenden Schreiben bereits benannten Maßnahmen zu ermöglichen. Sie sind in der gegenwärtigen Krise notwendig und müssen rasch umgesetzt werden.

Dazu zählen gemäß unserem Schreiben vom 24. März:

  • Vorübergehende Ermöglichung der vollen Beschlussfähigkeit von Gemeinderäten auch im Rahmen von Video- oder Telefonkonferenzen.
  • Vorübergehende Aufhebung, Ablaufhemmung oder Verlängerung der Einreichungsfrist bei Bürgerbegehren, um Bürgerinitiativen in der gegenwärtigen Situation nicht zu Unterschriftensammlungen für Bürgerbegehren zur Wahrung ihrer Rechte zu zwingen.
  • Vorübergehende Ermöglichung von Bürgermeisterwahlen als reine Briefwahlen. Beschränkung auf nur einen einzigen Wahlgang, wobei das Verfahren der „integrierten Stichwahl“ zur Anwendung kommt, um für den Fall, dass keine/r der Bewerber/innen bei der Erstauszählung eine absolute Mehrheit erzielt, bereits zusammen mit diesem Wahlgang eine Stichentscheidung und damit ein endgültiges Wahlergebnis zu ermöglichen, so dass die Legitimationswirkung der Wahl nicht beeinträchtigt wird.
  • Vorübergehende Ermöglichung von rein brieflichen Abstimmungen auch bei Bürgerentscheiden. Zusätzlich muss vorübergehend das Zustimmungsquorum nicht an die Gültigkeit, sondern an die dreijährige Bindungswirkung des Bürgerentscheids gebunden werden, um durch die bei rein brieflichen Abstimmungen sicher zu erwartende geringere Beteiligung nicht großenteils ungültige (und insofern sinnlose) Bürgerentscheide zu produzieren.
  • Vorübergehende Ermöglichung von Nominierungsversammlungen für Wahlkreiskandidat/ innen zur Landtagswahl in Form von innerparteilichen Briefwahlen, um Wahlvorschläge zur Landtagswahl im März 2021 sicher, planbar und nicht weiter auf unbestimmte Zeit verzögert aufstellen zu können.
  • Vorübergehende Absenkung der notwendigen Zahl der Unterstützungsschriften für die Wahlzulassung zur Landtagswahl für Parteien, die nicht das Unterschriftenprivileg genießen, von 150 auf 50 gültige Unterschriften pro Wahlkreis, um die Zahl der persönlichen Kontakte bei der Unterschriftensammlung zu reduzieren und auch diesen Prozess für die betroffenen Parteien planbarer und durchführbarer unter den gegenwärtigen Bedingungen zu machen. Alternativ ggf. auch vorübergehende Übernahme von § 27 Absatz 1 Unterpunkt 4 des bayerischen Landtagswahlgesetzes, wonach alle Parteien das Unterschriftenprivileg genießen, die bei der letzten Landtagswahl mindestens 1,25% der Stimmen erhalten haben.

Ausführliche Erläuterungen und Begründung zu diesen Maßnahmen finden Sie im beigefügten Schreiben vom 24.3.2020. Sie erfordern eine gesetzgeberische Tätigkeit des Landtages.

Für weitere Rückfragen zu unseren Vorschlägen stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Edgar Wunder