600. Bürgerentscheid in Baden-Württemberg: Kulturwandel erkennbar

Vier Bürgerentscheide parallel zur Landtagswahl

Am kommenden Sonntag finden parallel zur Landtagswahl in vier Gemeinden Bürgerentscheide statt, darunter der 600. Entscheid in der Geschichte Baden-Württembergs. „Wir beraten einen Großteil der Bürgerbegehren im Land und es zeichnet sich ein Kulturwandel ab“, sagt Edgar Wunder, Landesvorsitzender des Vereins Mehr Demokratie. „Gemeinderäte und -verwaltungen stehen dem Mitsprachewunsch der Bürger viel offener gegenüber als noch vor wenigen Jahren.“

Das zeige sich etwa in Gundelfingen, Schauplatz des 600. Bürgerentscheids der Landesgeschichte. „Eine Bürgerinitiative hat ein Bürgerbegehren gegen das Baugebiet Nägelesee-Nord gestartet“, erklärt Wunder. „Um das Verfahren angesichts des erneuten Lockdowns zu beschleunigen, griff der Gemeinderat das Anliegen auf.“ Einstimmig wurde am 12. November ein Bürgerentscheid beschlossen.

In Löwenstein und in Grünkraut genügte jeweils die Ankündigung eines Bürgerbegehrens. „In beiden Fällen kam der Gemeinderat den Bürgerinitiativen entgegen und beschloss von sich aus die Durchführung eines Bürgerentscheids.“ Dies habe den Initiativen den Aufwand, ein Bürgerbegehren zu erstellen und Unterschriften zu sammeln, erspart. In Löwenstein geht es um ein Baugebiet, in Grünkraut um den Standort eines Seniorenzentrums.

„In Hirschberg sehen wir ein von Bürgerinitiative und Gemeinde vorbildlich durchgeführtes Verfahren“, urteilt Wunder, der bereits weit über 300 Bürgerbegehrensfälle beraten hat. „Beide Seiten gingen offen und sachlich miteinander um.“ Nach dem zulässigen Bürgerbegehren entscheiden nun die Bürger über das geplante Gewerbegebiet.

Die positive Einschätzung der vier Bürgerentscheide lässt Wunder optimistisch in die Zukunft blicken. „Dass ein Bürgerbegehren von Bürgermeistern und Gemeinderäten oft zunächst als Ärgernis empfunden wird, ist menschlich verständlich. Aber offensichtlich hat sich herumgesprochen, dass Blockade keine gute Option ist.“ Ein gelassener und konstruktiver Umgang mit dem Bürgeranliegen trage schon im Vorfeld zur Befriedungswirkung bei und erhöhe nicht zuletzt auch die Erfolgschance der Gemeinden.

Mehr Demokratie betreibt die landesweit einzige Beratungsstelle zu Bürgerbegehren und berät sowohl Bürgerinitiativen als auch Gemeindeverwaltungen. Bei über 90 Prozent aller Bürgerbegehren in Baden-Württemberg ist der Verein beratend oder vermittelnd involviert und hat die umfangreichsten Daten zum Thema.