Bürgerbegehrensbilanz 2022

Zahl der Bürgerentscheide ging deutlich zurück - Bürgerbegehren treiben die Energiewende voran

In seiner jährlichen Bilanz veröffentlicht Mehr Demokratie e.V. die Zahlen zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in Baden-Württemberg. Im Jahr 2022 fanden nur neun Bürgerentscheide statt. Das ist ein deutlicher Rückgang im Vergleich zum statistischen Mittel (24) der letzten Jahre. Auch die Zahl der eingereichten Bürgerbegehren lag mit 30 unter dem Durchschnitt der letzten Jahre (42). „Der Rückgang ist wahrscheinlich im Wesentlichen auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, die zur Verschiebung größerer Projekte durch viele Gemeinden und zu verminderter Aktivität von Bürgerinitiativen führte“, erklärte Sarah Händel, Landesgeschäftsführerin von Mehr Demokratie e.V. Schon jetzt ist klar, dass 2023 wieder mehr Bürgerentscheide stattfinden werden, denn bereits im Januar 2023 wurde vier Mal abgestimmt und sechs weitere Entscheide sind schon für die nächsten Wochen terminiert. 

Von den neun Bürgerentscheiden hat vier der Gemeinderat per sogenanntem Ratsreferendum selbst angesetzt. In allen vier Fällen sprach sich eine Mehrheit für die Vorhaben des Gemeinderates aus. Dabei ging es zwei Mal um den Bau von Windkraftanlagen (Eberbach und Fröhnd*) und zwei Mal um Gewerbeflächen (Weilheim und Mundelsheim). Die anderen fünf Entscheide kamen über erfolgreiche Bürgerbegehren durch Bürgerinitiativen zustande. Bei diesen Abstimmungen konnte sich zwei Mal der Gemeinderat und drei Mal die Bürgerinitiative mit ihrem Anliegen bei der Bevölkerung durchsetzen. 

Die Vorstöße der Bürgerinitiativen fanden jedoch auch darüber hinaus Gehör: 9 weitere Begehren hat der Gemeinderat freiwillig übernommen, wodurch ein Bürgerentscheid entfiel. Darunter auch 2 Initiativen für schnellere Klimaneutralität (Öhringen und Bietigheim-Bissingen) sowie die ebenfalls auf Klimanachhaltigkeit abzielende Initiative zur Reaktivierung der Krebsbachtaltrasse (Bad Rappenau). Die Klimamaßnahmen zu beschleunigen ist nicht nur das Ziel vieler aktueller Bürgerbegehren, sondern auch alle Bürgerentscheide der letzten Jahre gingen zugunsten des jeweiligen Energiewende-Projekts aus. "Wir sehen, dass die Bevölkerung aktiv mitgestalten will. Gerade bei wichtigen Entscheidungen zur Klimamaßnahmen, sollte sie daher stärker in Entscheidungen vor Ort einbezogen werden”, so Sarah Händel. 

Zehn weitere Begehren waren unzulässig, weil sie gegen die gesetzlichen Regelungen verstießen. Das größte Problem ist laut Mehr Demokratie, dass die Initiativen zu spät aktiv werden und die Planungen im Gemeinderat dann schon zu weit fortgeschritten sind. Einige Begehren wären jedoch mit besseren gesetzlichen Regelungen zu retten. “Bei uns sind viele Begehren verfristet und damit unzulässig, die im bürgerfreundlichen Bayern zur Abstimmung zugelassen wären. Damit mehr Menschen aktiv mitentscheiden können, sollte auch bei uns die 3-Monats-Frist fallen”, fordert Händel. Weil bei einem Bürgerbegehren schon kleine Fehler ins Aus führen können, berät der Verein Bürgerinitiativen bei der Formulierung rechtssicherer Begehren und Kommunalverwaltungen bei der Durchführung eines Bürgerentscheids. 

*In Fröhnd handelte es sich formal um eine Bürgerbefragung, deren Ergebnis die Gemeinderäte jedoch vorab als verbindlich anerkannten. Der Ablauf war einem Bürgerentscheid gleichgesetzt, deswegen wird der Fall hier als Bürgerentscheid gewertet. 

Übersicht aller Fälle aus dem Jahr 2022 finden Sie hier: https://www.mitentscheiden.de/buergerbegehren/aktuelle-verfahren/verfahren-2022