Ersatzstimme statt Neuwahl: Neuregelungen von Bürgermeisterwahlen notwendig

Auswertung von Mehr Demokratie e.V. zeigt Reformbedarf

Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg sind unnötig aufwendig und führen zu Legitimitätsdefiziten. Das ergibt eine Auswertung des Vereins Mehr Demokratie e.V. zu den Bürgermeisterwahlen zwischen 2013 und März 2021. „Eine leichte Veränderung im Wahlrecht würde das Legitimationsproblem lösen und dabei noch Zeit und Geld sparen“, sagt Edgar Wunder, Vorstandssprecher von Mehr Demokratie Baden-Württemberg. „Die Ersatzstimme – auch Präferenzwahl genannt – hat sich international, etwa in Neuseeland oder Irland, bewährt und sollte dringend auch in Baden-Württemberg als Alternative diskutiert werden.“

Die Ersatzstimme ermöglicht den Wahlberechtigten, nicht nur eine einzige Stimme abzugeben, sondern die Kandidierenden in eine bevorzugte Reihenfolge zu bringen. Bei der Stimmauszählung werden zunächst nur die Erstpräferenzstimmen für alle Kandidierenden ausgezählt. Erzielt jemand hier eine absolute Mehrheit, ist diese Person gewählt. Andernfalls scheidet die Person mit den wenigsten Erstpräferenzstimmen aus. Von den auf sie entfallenen Stimmzetteln werden die Zweitpräferenzstimmen auf die übrigen Kandidierenden verteilt, deren Stimmzahlen sich so erhöhen. Je nach Größe des Bewerberfeldes setzt sich dieser Prozess so lange fort, bis eine Kandidatin oder ein Kandidat eine absolute Mehrheit erreicht hat und damit gewählt ist. „Was kompliziert klingt, ist sehr einfach und effizient: In nur einem Wahlgang wird die Person ermittelt, die den größten Rückhalt in der Bevölkerung hat. Und Kandidaten mit ähnlichen Positionen nehmen sich so nicht mehr gegenseitig die Stimmen weg“, erklärt Wunder.

Die geltenden Regelungen in Baden-Württemberg seien ungleich komplizierter. Wenn bei der Wahl niemand eine absolute Mehrheit erreicht, kommt es nicht zu einer Stichwahl der Bestplatzierten, sondern zu einer Neuwahl. „Das ist unnötig aufwendig, weil nicht nur keiner der Kandidierenden des ersten Wahlgangs ausscheidet, sondern sogar neue Kandidierende hinzukommen können“, erläutert Wunder. Wenn eine Neuwahl nötig wird, treten dabei im Schnitt 3,8 Kandidierende an, von einer Stichwahl ist man damit weit entfernt. Das sei Verschwendung von Steuergeldern und führe überdies zu Taktiererei von Wählenden wie Kandidierenden im zweiten Wahlgang, urteilt Wunder.

Hinzukomme, dass in der Neuwahl eine relative Mehrheit zum Sieg reicht. Da in 26 Prozent der Fälle der Sieger der Neuwahl keine absolute Mehrheit erreiche und zugleich die Wahlbeteiligung bei der Neuwahl durchschnittlich um 2,5 Prozentpunkte sinke, gebe es Bürgermeister, die von nicht einmal einem Fünftel der Wahlberechtigten ins Amt gewählt worden sind, wie etwa in Mosbach oder Mannheim. „Mit solchen Ergebnissen überhaupt ins Amt zu kommen, wäre in anderen Bundesländern ausgeschlossen“, so Wunder. Das schade der Legitimität der Wahlen wie der Gewählten.

„Interessanterweise ist in einem Viertel der Fälle der Erstplatzierte des ersten Wahlgangs nicht der Sieger der Neuwahl“, erklärt Wunder. Dies zeige, dass es in den Köpfen der Wählerinnen und Wähler Präferenzordnungen gebe. „Ein Wahlrecht muss sich daran messen lassen, ob es die Präferenzen der Bevölkerung genau widerspiegelt und zugleich für eine hohe demokratische Legitimation sorgt. Beides kann ein Präferenzwahlsystem besser als das bestehende Wahlrecht“, so Wunder.