Mit landesweiten Volksentscheiden zu mehr Demokratie!

Bündnis für Mehr Demokratie legt Eckpunkte für eine Erleichterung von Volksentscheiden im Land vor

Baden-Württemberg belegt im Ländervergleich den vorletzten Platz

Pressekonferenz des Bündnis für mehr Demokratie, von rechts: Reinhard Hackl (MD), Dr. Brigitte Dahlbender (BUND) und Rainer Bliesener (DGB)

Das Bündnis für mehr Demokratie in Baden-Württemberg, ein Zusammenschluss aus Umwelt- und Sozialverbänden sowie Gewerkschaften, hat heute einen Sieben-Punkte-Katalog zur Reform des Volksentscheids in Baden-Württemberg vorgelegt. Rainer Bliesener, Landesvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Dr. Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie Reinhard Hackl (Landesvorsitzender Mehr Demokratie e.V.) forderten auf einer gemeinsamen Landespressekonferenz eine baldige und echte Reform des Volksentscheids auf Landesebene. Die Landesregierung hatte in der Koalitionsvereinbarung eine Reform angekündigt, bis jetzt aber keine Initiative auf den Weg gebracht.

"Die Regelungen für Volksentscheide auf Landesebene ermöglichen keine direkte Demokratie. Es verwundert deshalb nicht, dass es bisher im Land kein einziges Volksbegehren gegeben hat", kritisierte Reiner Bliesener, der Vorsitzende des DGB-Bezirks Baden-Württemberg "Baden-Württemberg belegt im Ländervergleich den 15. Platz – knapp vor dem Saarland." Bliesener, sieht das Land vom "Demokratiezug" abgehängt, wenn keine echte Reform im Land in Angriff genommen wird. "In allen anderen Bundesländern außer dem Saarland vertrauen die Landesregierungen ihren Wählerinnen und Wählern mehr als in Baden-Württemberg."

"In Hamburg begehren die Menschen auf gegen die Privatisierung der Krankenhäuser, in Berlin fordern sie ein Wahlpflichtfach Religion, in Thüringen bessere Bürgerentscheide, in Brandenburg kämpfen sie gegen weitere Braunkohletagebaue, in Bayern haben sie den Senat abgeschafft und ein Volksbegehren zum Mindestlohn auf den Weg gebracht - allein in Baden-Württemberg geht wegen der bestehenden hohen Hürden gar nichts!" Mit kosmetischen Änderungen sei es nicht getan: "Wenig Demokratie möglichst spät" dürfe nicht zum Motto des Regierungshandelns in Baden-Württemberg werden, findet Bliesener. Er forderte CDU, FDP, SPD und Grüne auf, eine gemeinsame Linie für die nötige verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit zu finden.

Die BUND-Landesvorsitzende Dr. Brigitte Dahlbender kritisierte das geringe Interesse der Landesregierung an einer echten Reform der baden-württembergischen Volksgesetzgebung: "Die bisherigen Überlegungen von CDU und FDP zielen bloß darauf ab, den bestehenden gesetzlichen Rahmen oberflächlich aufzupolieren." Die Regierungsparteien planen bisher nur, die Beteiligungshürde beim Volksentscheid zu senken, indem das Zustimmungsquorum von 33,3 auf 25 Prozent der Wahlberechtigten gesenkt werden soll. Dahlbender: "Diese Scheinreform greift viel zu kurz. Statt die Entscheidungsmöglichkeiten der Bürger zu erhöhen, blendet die Landesregierung ihre Bürger mit scheinbar schönen Versprechungen."

Zu einem Volksentscheid werde es trotzdem nicht kommen: "Die Unterschriftenhürde beim zuvor stattfindenden Volksbegehren von 16,6 Prozent der Wahlberechtigten bleibt unangetastet." Hier müssten rund 1,25 Mio. Baden-Württemberger innerhalb von zwei Wochen in den Rathäusern für ein Anliegen unterschreiben. "Diese Regelung hält viele Initiativen davon ab, ein Volksbegehren zu starten, weil die Ehrenamtlichen diese enorme Anzahl von Unterschriften in dieser kurzen Zeit kaum sammeln können. Wenn unsere Landesregierung das Ehrenamt wirklich ernst nimmt, dann muss sie auch Möglichkeiten der direkten Einflussnahme schaffen", erklärte Dahlbender. "Volksentscheide auf Landesebene stärken die Demokratie und wirken der Entfremdung zwischen Bürgern und Parteien entgegen: Der Landtag muss diese Chance zur Politisierung seiner Bürger fördern."


Eckpunkte zur Reform der Volksgesetzgebung in Baden-Württemberg

Kernpunkt der Forderungen des Bündnisses, die Reinhard Hackl von "Mehr Demokratie e.V." vorstellte, ist die Erleichterung des Volksbegehrens durch die Senkung der Unterschriftenhürde von 16,6 auf fünf Prozent der Wahlberechtigten. Dann würden für das Zustandekommen eines Volksbegehrens knapp 400 0000 statt der heute noch erforderlichen 1,25 Mio. Baden-Württemberger ausreichen. Auch das Verfahren selbst soll erleichtert werden: So will das Bündnis, dass nicht nur in Amtsstuben, sondern auch auf der Straße Unterschriften gesammelt werden können. Gleichzeitig soll die Frist für die Eintragung von zwei Wochen auf sechs Monate verlängert werden.

Vor dem eigentlichen Volksentscheid soll durch eine ausgewogene Pro-Contra-Broschüre für jeden Haushalt ein Mindestmaß an Information sichergestellt werden. Zur Fairness sollen eine Kostenerstattung bei einem erfolgreichen Volksbegehren und eine Offenlegung der Finanzierung des Begehrens gehören. Schließlich soll bei der Abstimmung selbst die Mehrheit der Abstimmenden entscheiden und die Gültigkeit der Abstimmung, wie in Bayern, an kein Abstimmungsquorum gebunden sein.

Schon zum Jahreswechsel hatte das Bündnis Mehr Demokratie alle Landtagsabgeordneten über die bestehenden Probleme bei der Volksgesetzgebung informiert und auf die im Bundesvergleich sehr schlechte baden-württembergische Gesetzeslage hingewiesen. Hackl: "Jetzt muss eine Reform her, die diesen Namen auch verdient!"

Weitere Informationen:

www.volksentscheid-bw.de