Neue Ideen: Wie Gemeinden von Bürgerbegehren profitieren

Erster Bürgerbegehrenstag in Baden-Württemberg
Zu einem ersten Treffen der Bürgerbegehrensinitiativen in Baden-Württemberg lud die Bürgeraktion Mehr Demokratie dieser Tage nach Nürtingen ein. Nach dem Fazit von Reinhard Hackl, dem Landesvorsitzenden des Vereins, wurde dabei deutlich, dass die Gemeindeverwaltungen sehr viel vom "know-how" der Bürgergruppen profitieren können, gleichzeitig aber gesetzliche Stolperfallen in Baden-Württemberg Bürgerbegehren nach wie vor behindern.

Initiator des Treffens war Professor Dr. Roland Geitmann von der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl, der die Erfahrungen der Bürgerinitiativen für die Praxis der zukünftigen Kommunalbeschäftigten nutzbar machen will. Fünf Initiativen aus Vaihingen /Enz, Nürtingen, Backnang, Stuttgart und Heidelberg stellten ihre Anliegen und Ihre Erfahrungen mit dem Mitwirkungsinstrument Bürgerbegehren vor.

Bemerkenswert war für Professor Geitmann, welchen Nutzen der Heidelberger Stadtteil Emmertsgrund aus dem Bürgerentscheid über den Verkauf der städtischen Wohnungen dort gezogen hat. Der Stadtteil ist regelrecht aus seinem „Dornröschenschlaf“ erwacht. Die Bewohner engagieren sich mehr und es fließen mehr kommunale Gelder dorthin.

Auch Vaihingen kann von einer Bürgerinitiative profitieren, die eine stillgelegte Bahnstrecke in einen Fahrradweg umwandeln will. Der Fahrradweg, der für viele Schulkinder einen sicheren Schulweg schaffen würde, nutzt für wenig Geld auch der Umwelt. Die Initiative stellt eine von einem Bauingenieur durchgerechnete Planung mit Kostendeckungsvorschlag zur Abstimmung.

Im Nachhinein muss auch der Nürtinger Oberbürgermeister Heyrich einsehen, dass die Bürgerinitiative gegen die Bossansiedelung im „Großen Forst“ mit ihrem Bürgerbegehren der Gemeinde viel Geld und Aufwand gespart hätte. Der OB hatte mit großem Aufwand versucht, die Gewerbeansiedelung durchzudrücken und einen Bürgerentscheid zu verhindern. Boss hat seine Investitionspläne in der Zwischenzeit auf Eis gelegt. Letztlich hatte Boss nur „Hugoles“ mit den Nürtingern gespielt und die Stadt gegen Metzingen, eine andere Standortalternative, ausgespielt.

Neben den vielen Positivbeispielen für bürgerschaftliches Engagement wurden aber auch die rechtlichen Fallgruben für Bürgerbegehren in Baden-Württemberg deutlich. Der Ausschluss von Bürgerbegehren gegen Bebauungspläne, die 6-Wochenfrist für Begehren gegen Gemeinderatsbeschlüsse und der vorgeschriebene Kostendeckungsvorschlag behindern die Beteiligung der Bürger im Land. Völlig unnötig, meint Geitmann und verweist auf Bundesländer wie Bayern, Hamburg und Berlin. Mehr Demokratie will auch im nächsten Jahr ein ähnliches Treffen organisieren.