Überparteiliches Bündnis will bessere Bürgerentscheide in Baden-Württemberg

Bayern als Vorbild

Die unterschiedlichsten Gruppierungen und Verbände haben sich jetzt zusammengetan um eines zu erreichen: bessere Bürgerentscheide und damit mehr direkte Bürgermitsprache in Baden-Württemberg. Nach dem Gründungsaufruf im Herbst haben jetzt u.a. der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der Naturschutzbund (NABU), der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der Verkehrsclub Deutschland (VCD), der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC), die Arbeiterwohlfahrt-Landesverband Baden, die Energiewerke Schönau (EWS) und der Landesverband von Mehr Demokratie Baden-Württemberg gemeinsame Positionen beschlossen und einen Sprecherkreis gebildet. Dieser soll den Kontakt mit den Landtagsparteien suchen. Andere Organisationen beschließen nach den Worten von Reinhard Hackl, dem Landessprecher von Mehr Demokratie, in den kommenden Wochen über ihre Teilnahme oder sonstige Unterstützung für das Bündnis.

Vorbild für die direkte Bürgermitsprache sind die Regeln in Bayern. Aufgrund der anwendungsfreundlichen Regelungen in dem benachbarten Bundesland finden dort über die Hälfte aller Bürgerentscheide bundesweit statt. In Baden-Württemberg scheitern dagegen 2/3 aller Bürgerbegehren an den gesetzlichen Hürden.

Vier Hauptforderungen hat das Bündnis beschlossen: So soll die Themeneinschränkung bei den Bürgerentscheiden wegfallen. Bislang darf in Baden-Württemberg nur über öffentliche Einrichtungen, nicht aber über Straßen, Bebauungspläne oder etwa über den Verkauf von Gemeindeeigentum abgestimmt werden. Wie in Bayern sollen in Zukunft grundsätzlich alle Themen der Gemeindeebene für Bürgerentscheide offen stehen.

Darüber hinaus soll das so genannte Abstimmungsquorum bei den Bürgerentscheiden abgesenkt werden. Bisher ist ein Bürgerentscheid nur gültig, wenn die Mehrheit der Abstimmenden auch gleichzeitig 30 Prozent der Stimmberechtigten umfasst. Diese auch im Bundesvergleich sehr hohe Hürde führt nach Meinung des Bündnisses dazu, dass jedes Jahr Tausende von Bürgern vergeblich ihre Stimme abgeben. Hackl: "Bürgerfrust statt Mitbestimmung ist die Folge." Wie in Bayern soll deshalb das Zustimmungsquorum je nach Gemeindegröße auf 20 Prozent bei Gemeinden bis 50 000 Einwohner, auf 15 Prozent bei Gemeinden bis 100 000 Einwohner und auf 10 Prozent bei Gemeinden über 100 000 Einwohner abgesenkt werden.

Weitere Forderungen des Bündnisses sind die Einführung der Bürgerentscheide auch auf Landkreisebene, da dort wesentliche Gemeinschaftsaufgaben für die Bürger erledigt werden, wie z.B. Müllbeseitigung, Krankenhäuser oder öffentlicher Nahverkehr. Über diese Themen kann bisher nur von Bürgerinnen und Bürgern in den Großstädten abgestimmt werden, da diese gleichzeitig Stadtkreise sind, nicht aber von den Bürgerinnen und Bürgern auf dem Land. Darüber hinaus will das Bündnis auch die kurze Frist von Bürgerbegehren gegen Gemeinderatsbeschlüsse von vier auf acht Wochen verlängern. Zehn Prozent der Stimmberechtigten müssen bei einem Bürgerbegehren ihre Unterschrift leisten, eine Zahl die in vier Wochen nur sehr schwer zusammen kommt.

Zum Sprecherkreis des Bündnisses gehören Rainer Bliesener, Vorsitzender des DGB, Dr. Stefan Rösler, NABU-Vorsitzender, und Reinhard Hackl von Mehr Demokratie. Sie werden in den kommenden Wochen mit den Landtagsparteien das Gespräch suchen und die Chancen eines gemeinsamen Gesetzentwurfes auf der Grundlage der oben genannten Forderungen ausloten. Der Sprecherkreis sieht Chancen, sich beim Thema Bürgerbeteiligung jenseits des Parteienstreits eine Lösung zum Wohle der Bürger zu finden. Sollten die Regierungsparteien diese Chance wieder ungenutzt verstreichen lassen, will das Bündnis im Sommer über ein landesweites Volksbegehren für mehr Bürgerbeteiligung beraten.