Unterschriftensammlungen für Bürgerbegehren durch Corona-Pandemie stark beeinträchtigt

Trotz Aussetzung der dreimonatigen Einreichungsfrist haben es Bürgerinitiativen aktuell schwer

Laut Mehr Demokratie e.V. ist die Zahl eingereichter Bürgerbegehren seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 im Vergleich zu den Vorjahren stark gesunken. „Das Sammeln von Unterschriften ist aufgrund des erhöhten Ansteckungsrisikos im öffentlichen Raum und Zeitdruck bei der Einreichung des Begehrens schwerer geworden“, sagt Edgar Wunder, Landesvorsitzender von Mehr Demokratie in Baden-Württemberg. 

Mehr Demokratie e.V erfasst als einzige auf Bürgerbegehren und -entscheide spezialisierte Beratungsstelle in Baden-Württemberg regelmäßig statistische Daten dazu und steht meist in engem Kontakt mit Bürgerinitiativen und Gemeindeverwaltungen. Seit März wurden bisher nur fünf Bürgerbegehren eingereicht, was einem Viertel der statistisch zu erwartenden Zahl entspricht. Diese liegt im Jahr bei 42 eingereichten Bürgerbegehren. Darüber hinaus finden aktuell in nur vier Gemeinden Unterschriftensammlungen statt, die der Einreichung eines Bürgerbegehrens vorausgehen. „Dieser ungewöhnlich niedrige Wert ist nur durch massive Schwierigkeiten bei der Unterschriftensammlung für Bürgerbegehren erklärbar, bedingt durch die Corona-Pandemie“, erklärt Edgar Wunder.

Der baden-württembergische Landtag hat bereits im Mai auf die vorhersehbaren Schwierigkeiten reagiert, indem er die Einreichungsfrist von Bürgerbegehren einheitlich auf Ende März 2021 festgelegt hat. Dennoch stehen Bürgerinitiativen unter Zeitdruck. Denn Bürgerbegehren können nur gegen Beschlüsse eingereicht werden, die noch nicht von der Gemeinde umgesetzt worden sind. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich durch das erhöhte Ansteckungsrisiko im öffentlichen Raum. „Im Regelfall ist mindestens ein dreiminütiges persönliches Gespräch erforderlich, um im öffentlichen Raum einen Passanten zur Unterzeichnung eines Bürgerbegehrens zu bewegen“, so Wunder. „Davor scheuen sich im Moment verständlicherweise viele Menschen.“ Zusätzlich erschwerend wirken Hygiene-Auflagen, etwa das Gebot der nur einmaligen Verwendung desinfizierter Kugelschreiber.

„Es gilt, faire Lösungen zu suchen, damit Gemeinden nicht in ihrer Arbeit behindert werden, die Rechte der Bürger aber nicht nur auf dem Papier existieren“, sagt Wunder. „Wenn nach Einreichung eines Bürgerbegehrens noch Unterschriften nachgereicht werden dürften, wäre den Initiativen sicher geholfen – besonders, wenn mit der Einreichung eine Sperrwirkung eintritt, sodass die Gemeinde bis zur Zulässigkeitsprüfung keine Beschlüsse in der Sache mehr fassen oder umsetzen darf." Bislang tritt eine solche Sperrwirkung erst nach der Zulässigkeitsfeststellung durch den Gemeinderat ein. "Alternativ wären etwa rechtssichere Online-Unterschriftensammlungen zu prüfen", so Wunder weiter. 

Analoge Schwierigkeiten ergeben sich im Übrigen auch für Unterschriftensammlungen, die Parteien für eine Zulassung zu den Landtagswahlen am 14. März 2021 durchführen müssen. Insbesondere kleinere Parteien haben deswegen Schwierigkeiten, die 10.500 nötigen Unterschriften zu bekommen.