Volksentscheide über Minarette in Deutschland nicht möglich

Mehr Demokratie Baden-Württemberg weist darauf hin, dass der Schweizer Volksentscheid zum Minarett-Verbot in Deutschland in dieser Form nicht möglich gewesen wäre. „Der Schweizer Volksentscheid über das Verbot von Minaretten wird zu Recht auch von deutschen Medien und Politikern kritisch kommentiert.“ sagt Landesvorstandsprecher Reinhard Hackl. „Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass ein Minarett-Verbot in Deutschland selbst dann nicht möglich wäre, wenn es Volksentscheide auf Bundesebene gäbe. Die Religionsfreiheit wäre wie die anderen im Grundgesetz festgelegten Grundrechte auch durch Volksentscheide nicht zu ändern.“

 

Im Gegensatz zu Deutschland kennt die Schweiz aber weder eine Grundrechtsgarantie noch ein Verfassungsgericht.

Mehr Demokratie Baden-Württemberg fordert nicht nur die Einführung und Verbesserung von Volksentscheiden auf allen politischen Ebenen der Bundesrepublik, sondern auch die der politischen Debatte und Kultur. „Unsere Grundüberzeugung ist, dass Volksentscheide immer nur die letzte Möglichkeit der Bürger darstellen sollen, Einfluss auf die Politik zu nehmen." Meint Nico Nissen von Mehr Demokratie und schließt an: „Am besten ist eine so bürgernahe Politik, dass Volksentscheide überflüssig werden" Volksentscheide sind gedacht als politische Option, auf die der Bürger im Dialog mit seinen Repräsentanten verweisen kann; ein Unterpfand bei strittigen Fragen und Verhandlungen zwischen Bürgerinitiativen und Politikern. Die bloße Möglichkeit eines Volksentscheides würde die Bürger auf Augenhöhe der Politiker bringen. Der politische Dialog wäre nicht mehr bestimmt von Frustration, Politikverdrossenheit und ohnmächtiger Wut, sondern von der gemeinsamen Suche nach einem demokratischen Kompromiss - der bestmöglichen Lösung für alle.

Dieser Dialog fand im Vorfeld des Volksentscheides in der Schweiz nicht statt. Denn die Bürger der Schweiz entschieden an der Abstimmungsurne anders, als sie in der öffentlichen Debatte vorgaben. Aus Angst davor, als Extremisten missverstanden zu werden, verhehlten sie zum großen Teil ihre Meinung - selbst bei anonymen Umfragen. Es entstand ein verzerrtes Bild der öffentlichen Meinung, das einen Dialog zwischen den Kulturen und zwischen Bürgern und Politikern von vornherein unnötig erscheinen ließ. Diffuse und latente Ängste vor radikalen Islamisten und Auswüchsen wie Ehrenmorden und Zwangsehen gipfelten so letztlich in der Frage: "Minarette: Ja oder Nein?"

Die Schweiz ist aber ebenso wie Deutschland auch auf europäischer Ebene gegen Verstöße gegen die Religionsfreiheit abgesichert. Denn beide Staaten haben die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet. Der Volksentscheid über den Bau von Minaretten verstößt also möglicherweise gegen Völkerrecht und hat von daher keinen Bestand.

Mehr Demokratie Baden-Württemberg wendet sich ausdrücklich gegen den von jeder Sachkenntnis ungetrübten Populismus, mit der die Debatte über die Einführung von Volksentscheiden in Deutschland von einigen Seiten geführt wird.