Informativ & unterhaltsam: das war die Mitgliederversammlung vom 25. November

Mehr Demokratie e.V. Baden-Württemberg lud am 25. November zur zweiten Mitgliederversammlung des Jahres nach Stuttgart ein. Diskutiert wurden Bürgerbeteiligung in Theorie & Praxis und aktuelle und kommende Kampagnen des Vereins.

 

Dem Schmuddelwetter zum Trotz war der Große Saal des Stuttgarter Umweltzentrums auch bei dieser Mitgliederversammlung (MV) gut gefüllt. Nachdem im Frühjahr ein neuer Vorstand gewählt wurde, standen dieses Mal keine Beschlüsse an. So blieb viel Raum zum Austausch und für Inputs.


Die MV begann um 11 Uhr mit einer kleinen Vorstellungsrunde. Direkt im Anschluss berichtete Sarah Händel, Landesgeschäftsführerin von Mehr Demokratie Baden-Württemberg, von der aktuellen Kampagne "Jetzt ist die Zeit: Volksentscheid. Bundesweit." (www.volksentscheid.de). Mehr Demokratie Baden-Württemberg war für die Bundeskampagne im September landesweit unterwegs. Von Lörrach über Aalen nach Karlsruhe - innerhalb von 14 Tagen gab es 11 Diskussionen mit den Bundestagskandidat/innen an öffentlichen Plätzen. Zentrales Element war dabei ein riesiger Spiegel, der als "Spiegel der Gesellschaft" danach fragte, wer der Souverän im Land sei. Zusätzlich gab es abendliche Podiumsdiskussionen in Heidenheim und Tübingen. Der Abschluss der Tour war eine Demokratie-Wanderung auf das Hambacher Schloss, die maßgeblich vom Aktionskreis Mittelbaden organisiert und gemeinsam mit dem Landesverband Rheinland-Pfalz durchgeführt wurde.

 

Nach der Bundestagswahl sammelte Mehr Demokratie im Bündnis mit 35 anderen Organisationen binnen zwei Monaten über 260.000 Unterschriften für die Einführung bundesweiter Volksentscheide - das war die erfolgreichste Sammlung für eine zivilgesellschaftliche Forderung rund um die Bundestagswahl! Sarah Händel machte deutlich dass Mehr Demokratie dank der Unterschriften und der vielen Aktionen zu den Sondierungsgesprächen in Berlin ein beachtlicher Teilerfolg gelungen ist. In den Sondierungsgesprächen für eine Jamaika-Koalition einigten sich CSU, Grüne und FDP auf eine gemeinsame Formulierung, in der es heißt, man wolle "... die parlamentarisch-repräsentative Demokratie durch weitere Elemente von Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie ergänzen." Mehr Demokratie war also kurz vor dem Ziel, dass die Einführung bundesweiter Volksentscheide im Koalitionsvertrag festgehalten wird! Einzig die CDU stimmte bis zum Abbruch der Sondierungen der Formulierung nicht zu.

Auch dem Ende der Jamaika-Sondierungen wird die Kampagne fortgesetzt und damit auch die Unterschriftensammlung. Es ist also weiter möglich den Aufruf "Jetzt ist die Zeit: Volksentscheid. Bundesweit" - www.volksentscheid.de - zu unterschreiben, damit Bürger-Mitsprache auch zwischen den Wahlen möglich wird!


Für den Landesvorstand berichtete Edgar Wunder von den Entwicklungen im letzten Halbjahr. Dabei stellte er die Idee zu einer Modifizierung bei der Durchführung von Mitgliederversammlungen vor. Gemäß Landessatzung muss mindestens eine MV pro Jahr stattfinden. An Stelle einer zweiten MV soll künftig das Informations- und Austauschangebot für die Mitglieder erweitert werden. So wird es im Frühjar 2018 ein erstes Vernetzungstreffen für MD-Mitglieder und Bürgeriniativen geben. Für das Jahr 2019 gibt es Überlegungen, eine Fahrt zu einer Landsgemeinde in die Schweiz zu organisieren, um hautnah im Mutterland der direkten Demokratie bei einem der größten Bürgerparlamente der Welt dabei zu sein.

 

Auch für die Bürgerbegehren und -entscheide im Land wurde eine erste Jahresbilanz gezogen. 2017 werden 21 Bürgerentscheide stattgefunden haben, bis zum Jahresende werden ca. 40 Bürgerbegehren bei den Gemeinden eingereicht sein. Damit sind die Zahlen leicht rückläufig gegenüber dem Vorjahr, aber auch deutlich über den Zehn-Jahres-Schnitt der Zeit vor der Reform der Gemeindeordnung. Nicht zuletzt sei die Öffnung der Bauleitplanung für Bürgerbegehren ein wichtiger Grund für den Anstieg an Bürgerentscheiden, ebenso wie die intensivierte Beratungsarbeit von Mehr Demokratie. Bei über 70 Prozent aller Entscheide gab es nach Edgar Wunder vorab einen Austausch mit mindestens einem relevanten Akteur, also Bürgermeister/in, Gemeinderat oder Initiative. Die Beratung und Vermittlung sicherte in einigen Fällen die Durchführung der Bürgerentscheide. Nach Erfahrung von Mehr Demokratie sorgt die Verlängerung der Sammlungsfrist für mehr Dialog, verringert die Konfliktgefahr und steigert so die Qualität der Verfahren.

 

Ein wesentlicher Knackpunkt bei der Zulassung von Bürgerbegehren sei immer wieder der Kostendeckungsvorschlag und das unterschiedlich kooperative Auskunftsverhalten der Gemeinden. Mehr Demokratie plädiert darum nicht ohne Grund für eine Abschaffung des Kostendeckungsvorschlags als Zulässigkeitsvoraussetzung. In Berlin, Hamburg und Niedersachsen gibt es bereits diese Regelung. Dadurch wird kommunale Direktdemokratie für alle Seiten eiunfacher nachvollziehbar und besser gestaltbar, kurzum: sie wird bürgerfreundlicher!


Im kommenden Frühjahr veröffentlicht Mehr Demokratie Baden-Württemberg ein Handbuch zur erfolgreichen Durchführung von Bürgerbegehren, das unter anderem die wiederkehrenden Probleme und Schwierigkeiten bei Bürgerbegehren behandelt. Das Handbuch verbreitert und aktualisiert das Beratungsangebot und macht es einer größeren Öffentlichkeit noch leichter möglich sich über direktdemokratische Beteiligung in der Kommune zu informieren. Den Bürger/innen wird damit ein erster Ratgeber an die Hand gegeben, der dazu ermutigen soll, sich in der eigenen Gemeinde einzubringen.


Daran anknüpfend referierte Susanne Suhr von der Bürgerinitiative "Lachwald erhalten" aus Stutensee über das dort laufende Bürgerbehren. In Stutensse soll der Stadtwald gerodet werden, um einer Wohnbebauung Platz zu schaffen. Dagegen wendet sich die Initiative mit ihrem Bürgerbegehren.

 

In einer anschaulichen Präsentation nahm Frau Suhr die MV mit durch die Höhen und Tiefen des Prozesses, von der Diskussion im Gemeinderat bis zum jetzigen Stand der Dinge vor dem Bürgerentscheid, der am 18.2.2018 stattfindet. Dabei wies sie auch auf die Hürden und Fallstricke hin, die bei einem Bürgerbegehren auftreten können . In Stutensee gab es beispielsweise große Probleme mit dem Kostendeckungsvorschlag. Frau Suhr dankte Edgar Wunder und Mehr Demokratie für die Beratung und die erfolgreiche Zulassung des Begehrens. Angeregt tauschte man sich während und nach der Präsentation aus und teilte Erfahrungen aus anderen Bürgerbegehren.


Nach einer Pause stellte Fabian Reidinger das Positionspapier des Arbeitskreises Bürgerbeteiligung zur Verbindung von konsultativen Beteiligungsverfahren und direkter Demokratie vor. Einige bereits diskutierte Punkte wurden so noch einmal theoretisch aufbereitet. Die zentrale Frage des Papiers lautet: Wie stehen repräsentative, direktdemokratische und dialogische Formen zueinander? Ziel des Positionspapier sei es, einen Impuls auf die Diskussionen zu Bürgerbeteiligung auszuüben. Durch eine gelungene Verbindung von konsultativen Beteiligungsverfahren mit Bürgerentscheiden könne es gelingen, die Nachteile des einen Verfahrens durch die Vorteile des jeweilis anderen aufzuwiegen.


Zum Abschluss gab Edgar Wunder einen Ausblick auf das kommende Jahr. Im 1. Quartal 2018 startet die Sammlung zum Volksantrag "Mehr Demokratie in den Landkreisen". Derzeit laufen die letzten organisatorischen Vorbereitungen. Mit dem Volksantrag fordert Mehr Demorkatie die Einführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden auf Kreisebene. Baden-Württemberg ist neben Hessen das einzige Bundesland in dem es diese Verfahren noch nicht gibt.


Ein herzlicher Dank gilt den beiden Referent/innen und an alle Teilnehmenden für die lebhaften Debatten! Mit vollem Taten- und Diskussionsdrang wird der Landesverband Baden-Württemberg auch ins nächste Jahr starten, um mit dem geplanten Volksantrag die direkte Demokratie im Land endlich auf allen Ebenen zu verankern! Auf der nächsten Mitgliederversammlung am 14.4.2018 wird es dann die ersten Berichte zur Kampagne geben.


P.S. Das Protokoll der MV wird in Kürze in den Mitgliederbereich von MD eingestellt.