Auf dem Weg in die Kooperations-Demokratie: der Stuttgarter Klima-Bürgerrat

Am kommenden Samstag startet nach einjähriger Vorbereitung der Stuttgarter Klima-Bürgerrat. 61 zufällig ausgeloste Stuttgarterinnen und Stuttgarter entwerfen Empfehlungen zu den Themen Wärmeversorgung und klimaneutrale Mobilität.

“Bei vielen Klimamaßnahmen stehen oft die Ziele und Mittel fest, doch Konflikte entstehen bei der konkreten Umsetzung: Wer muss welche Belastungen in Kauf nehmen, wenn das innerstädtische Mobilitätskonzepte verändert wird? Für wen gibt es welche finanzielle Unterstützung? Bei der Beantwortung solch heikler Fragen kann ein aus vielen gesellschaftlichen Gruppen bestehender Bürgerrat dem Gemeinderat wertvolle Einsichten verschaffen und den Mut schneller zu handeln”, so Sarah Händel, Landesgeschäftsführerin von Mehr Demokratie Baden-Württemberg. 

In den nächsten Jahrzehnten stünden aufgrund der Klimaanpassungen unzählige Veränderungen an, die tief in das Alltagsleben der Menschen eingriffen. “Wenn wir unsere Kommunen und Städte neu ausrichten wollen, geht das in einer Demokratie nur mit den Menschen zusammen, sonst stimmen die Menschen bei der nächsten Wahl aus Angst gegen den Wandel”, warnt Sarah Händel.  Um herauszufinden, welche unterschiedlichen Bedürfnisse bei der Umsetzung von Maßnahmen zu berücksichtigen sind, reiche die repräsentative Demokratie nicht mehr aus. Es brauche zusätzliche Instrumente wie Bürgerräte, in denen Menschen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten miteinander faire Lösungen verhandeln könnten. 

Händel weiter: “Wir befinden uns auf dem Weg in die Kooperations-Demokratie, in der eine dauerhafte Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Gemeinderat mit der Bevölkerung aufgebaut werden muss.” Der Stuttgarter Klima-Bürgerrat sei dafür beispielhaft, denn er wurde aus der Bevölkerung heraus per Einwohnerantrag initiiert, vom Gemeinderat legitimiert und von der Verwaltung konkretisiert, geplant und umgesetzt. Der Gemeinderat hat sich in einem Grundsatzpapier dazu verpflichtet, sich mit den in den nächsten 4 Monaten entstehenden Empfehlungen zu beschäftigen und zu begründen, falls er bestimmten Forderungen nicht folgen kann. “Weil es im Stuttgarter Bürgerrat gelungen ist, auch Menschen aus politikfernen Schichten an Bord zu bekommen, gibt es eine besonders gute Chance mehrheitsfähige Empfehlungen zu entwickeln. Wir hoffen, dass Verwaltung und Gemeinderat konstruktiv mit ihnen weiterarbeiten ”, so Händel.

Hintergrund:

Ein Bürgerrat ist ein Instrument informeller - gesetzlich nicht festgeschriebener - Bürgerbeteiligung. In einem Bürgerrat erarbeiten aus dem Einwohnermelderegister ausgeloste Menschen, deren Zusammensetzung einem Querschnitt der Bevölkerung entspricht, Empfehlungen zu einem konkreten Thema. Die Teilnehmenden erhalten Input von Expertinnen und Experten, tauschen sich dann in moderierten Kleingruppe aus und entwickeln Vorschläge. Am Ende werden die einzelnen Empfehlungen abgestimmt und als Bürgergutachten an den Gemeinderat übergeben.  

Der Einwohnerantrag ist ein Verfahren, mit dem Einwohnerinnen und Einwohner einer Gemeinde ihr Anliegen in den Gemeinderat einbringen können. Kommen bei einem korrekt gestellten Antrag genügend Unterschriften (hier 2.500) zusammen, muss der Gemeinderat sich mit dem Thema befassen. Gesetzlich verankert ist der Einwohnerantrag in §20b der baden-württembergischen Gemeindeordnung.