Bündnis für mehr Demokratie: Interfraktionelle Paketlösung zur Reform der direkten Demokratie ist gescheitert - Regierung muss Chance zur Reform der Gemeindeordnung nutzen

Das Bündnis für mehr Demokratie in Baden-Württemberg hält die von den Regierungsfraktionen und der Opposition angestrebte Paketlösung zur Reform landesweiter Volksabstimmungen und kommunaler Bürgerentscheide für gescheitert. Die interfraktionelle Arbeitsgruppe tritt auf der Stelle und entwickelt sich zu einem reinen Blockadeinstrument der CDU. Die grün-rote Landesregierung ist nun aufgefordert, sich auf eine Reform der Gemeindeordnung zu konzentrieren und die Bedingungen für kommunale Bürgerbegehren und Bürgerentscheide zu erleichtern.

Stuttgart. „Seit über zwei Jahren ist die grün-rote Regierung nun im Amt, doch die Reform der direkten Demokratie im Land stockt und  droht zu scheitern“, bilanzierte BUND-Landesvorsitzende Dr. Brigitte Dahlbender. „Als Bumerang erweist sich für die Regierungsparteien die angestrebte interfraktionelle Paketlösung zur gleichzeitigen Reform landesweiter Volksabstimmungen und kommunaler Bürgerentscheide.“  

Die Verhandlungen von Grünen, SPD, CDU und FDP in der interfraktionellen Arbeitsgruppe waren nicht von dem Wunsch nach einer einvernehmlichen und fortschrittlichen Lösung geprägt, sondern entwickelten sich zu einem Blockadeinstrument der CDU auf beiden Ebenen. „Beschämend ist, dass die CDU versucht, die Landesregierung am Nasenring durch die Arena zu führen und im Vergleich zu heute teilweise sogar noch schlechtere Rahmenbedingungen für die direkte Demokratie durchzusetzen“, so Edgar Wunder als Vorstandsmitglied von Mehr Demokratie e.V. Völlig inakzeptabel sei die Vorstellung der CDU, die zur Beantragung eines Volksbegehrens notwendige Unterschriftenzahl von 10.000 auf 75.000 zu erhöhen. Volksbegehren würden so nicht erleichtert, sondern erheblich erschwert.

„Die Landesregierung darf sich auf einen solchen Kuhhandel nicht einlassen, sondern muss die Notbremse ziehen und die Verhandlungen für gescheitert erklären“, fordert der DGB-Landesvorsitzende Nikolaus Landgraf. „Unsere Botschaft ist: Wir erwarten deutlichere und mutigere Schritte der Landesregierung für mehr direkte Demokratie in Baden-Württemberg. Dafür ist Grün-Rot angetreten. Daran messen wir sie."

Gehe das Trauerspiel in der interfraktionellen Arbeitsgruppe so weiter wie bisher, schließt sich das Zeitfenster für eine Reform der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene vor den Kommunalwahlen 2014 und die Regierungsfraktionen stehen vor einem Scherbenhaufen ihrer Bürgerbeteiligungs-Versprechungen.

Die grün-rote Landesregierung sollte das Scheitern einer Paketlösung als Chance begreifen. „Die Regierung muss keine Rücksicht mehr auf die CDU nehmen und kann der direkten Demokratie in den Städten und Gemeinden neuen Schub verleihen. Ohne weitere Verzögerungen kann nun eine wirksame Reform für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in den Kommunen einfachgesetzlich durch eine Novellierung der Gemeindeordnung umgesetzt werden“, erklärte Edgar Wunder. „Dadurch kann die Regierung einen Teil ihrer Versprechen in der Koalitionsvereinbarung umsetzen und wenigstens in den Städten und Gemeinden eine Aufbruchstimmung für mehr Bürgerbeteiligung erzeugen.“ 

Die Ankündigung im Koalitionsvertrag, Baden-Württemberg zu einem „Musterland demokratischer Beteiligung“ zu machen, bedeutet: Baden-Württemberg darf nicht hinter Regelungen zurückbleiben, die in anderen Bundesländern bereits erreicht sind, sondern muss einen Spitzenplatz bei der Bürgerfreundlichkeit direktdemokratischer Beteiligungsmöglichkeiten einnehmen. Daraus folgt zwingend, dass nach dem Vorbild von z.B. Bayern folgende Eckpunkte bei der Reform unbedingt umgesetzt werden müssen:

  • Bei Bürgerentscheiden müssen auch Fragen der Bauleitplanung abstimmungsfähig werden. Wie in Bayern muss der Ausschlussgrund „Bauleitpläne und örtliche Bauvorschriften“ aus der Gemeindeordnung gestrichen werden.
  • Die Frist für Bürgerbegehren, die im Widerspruch zu einem Gemeinderatsbeschluss stehen, muss abgeschafft werden.
  • Der sog. „Kostendeckungsvorschlag“ ist als Zulässigkeitsvoraussetzung für ein Bürgerbegehren abzuschaffen. Zu den Kostenfolgen können sich alle Beteiligten dann beim Bürgerentscheid äußern.
  • Das Zustimmungsquorum für Bürgerentscheide ist nach Gemeindegröße zu staffeln.

„Dass nun aus der SPD-Fraktion wiederholt Bedenken laut wurden, obwohl selbst die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) sich für weitgehende Reformen ausgesprochen hat, ist für uns schwer nachvollziehbar“, so Wunder. Landgraf ergänzte: „Ich wünsche mir, dass die SPD-Landtagsfraktion auf ihre Kommunalpolitiker hört und ihre Bedenken zurückstellt.“

Würden die Reformen für die kommunale Ebene im Mittelmaß stecken bleiben, werde es der Regierung nicht gelingen, das Thema bis zum Ende der Legislaturperiode für erledigt zu erklären, so Wunder. Weiterer Reformbedarf zur Erreichung eines Spitzenplatzes werde das Bündnis Mehr Demokratie unverzüglich einfordern und durch geeignete Maßnahmen wieder auf die politische Tagesordnung setzen.   

Was die notwendigen Reformen bei landesweiten Volksabstimmungen angeht, ist dann die CDU aufgefordert, selbst einen Gesetzesvorschlag in den Landtag einzubringen und dadurch zu demonstrieren, wie bürgerfreundlich und reformbereit sie tatsächlich ist. 

Es gelte: „Lieber auf zumindest einer Ebene eine vorbildliche Reform, als überall nur ‘Mittelmaß statt Musterland‘ “.

Das Bündnis für mehr Demokratie in Baden-Württemberg wurde 2004 gegründet. Auf seinen Druck hin wurde schon im Sommer 2005 eine, wenn auch noch unzureichende, erste Reform auf der kommunalen Ebene für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide umgesetzt. Mitglieder des überparteilichen Bündnisses sind u.a. die Landesorganisationen des BUND, des DGB, des Vereins Mehr Demokratie, des Landesjugendrings und der Naturfreunde, sowie über 20 weitere Organisationen.

Ein Papier mit den Mindestanforderungen (mit Begründungen) an eine Reform auf kommunaler und Landesebene finden Sie <media 37491 - - "TEXT, 2013-09-16 BW Positionspapier Mindestanforderungen Reform DD 09-2013, 2013-09-16_BW_Positionspapier_Mindestanforderungen_ReformDD_09-2013.pdf, 77 KB">hier</media>.

 

Rückfragen: 

Dr. Brigitte Dahlbender, BUND-Landesvorsitzende, Tel. 0711 6203060, <link>brigitte.dahlbender@bund.net

Gergely Kispál, Presse BUND, Tel. 0711 6203 0617, <link>gergely.kispal@bund.net

Dr. Edgar Wunder,  Mehr Demokratie e.V., Tel. 0151 226 712 58, <link>info@mitentscheiden.de

Sarah Händel , Presse Mehr Demokratie e. V., Tel. 0711 509 1010, <link>sarah.haendel@mehr-demokratie.de

Nikolaus Landgraf, DGB-Landesvorsitzender, Tel. 0711-2028-211, <link>nikolaus.landgraf@dgb.de

Jürgen Klose, Pressesprecher DGB, Tel. 0711 2028 213, <link>juergen.klose@dgb.de