Bürgerentscheide unverzichtbar, um öffentliche Debatte und Bürgerengagement zu stärken - vor allem zur Energiewende!

Land muss Kommunen durch Digitalisierung entlasten und breite Beteiligung ermöglichen

In Abgrenzung zu den Vorstellungen des Vorsitzenden des baden-württembergischen Gemeindetages, Steffen Jäger, fordert die Landesgeschäftsführerin von Mehr Demokratie e.V. in Baden-Württemberg, Sarah Händel, keine zusätzlichen Hürden und Einschränkungen für Bürgerentscheide, sondern deren deutliche Erleichterung. Dies sei notwendig, um die Energie- und Klimawende in den Gemeinden schneller voranzubringen und die öffentliche Debatte dazu zu stärken.

Die Statistik der letzten Jahre belege Jägers einseitige These nicht. In den letzten drei Jahren sei in Baden-Württemberg kein einziger Wind- oder Solarpark an einem Bürgerentscheid gescheitert. Auf der anderen Seite gab allein in den letzten 2 Jahren 19 Bürgerinitiativen für einen Klimaaktionsplan oder zur Einsetzung eines Klima-Bürgerrates und 5 Fuß- oder Radentscheide zum schnelleren Ausbau der Radinfrastruktur.

“Wer die Energiewende von oben verordnen will, lähmt die Selbstorganisation und Impulskraft der Menschen und wälzt alle Verantwortung für den Wandel auf die Verwaltungen und gewählten Gremien ab, die dann auch noch den Frust der Bürgerinnen und Bürger abkriegen”, kritisiert Händel. Die Landesregierung sei in der Verantwortung, die an der Belastungsgrenze arbeitende kommunale Verwaltung schnellstmöglich zu entlasten, indem endlich Sofortmaßnahmen zur lange verschlafenen Digitalisierung ergriffen werden. Freiwerdende Kapazitäten könnten dann in umfassende Beteiligungs- und Mitenscheidungsprozesse investiert werden. “Nichts wird die Klimanpassung in den Kommunen nachhaltiger beschleunigen, als die breite Einbeziehung verschiedener Bedürfnisse und das Wecken gemeinsamer Tatkraft”, so Händel.

„Bürgerbegehren und Bürgerentscheide haben eine dreifach demokratie-stärkende Wirkung: Sie fördern eigenverantwortliches Engagement der Menschen, sie sorgen dafür, dass sich viel mehr Menschen als sonst, inhaltlich mit wichtigen kommunalen Fragen auseinander setzen und sie führen dazu, dass Menschen Selbstwirksamkeit erfahren und sich oft auch langfristig im Gemeinderat für die Demokratie engagieren wollen - und genau das wünschen sich die Kommunalverbände doch”, führt Händel aus.

Hintergrund:

Generell sind die Instrumente Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Baden-Württemberg eher spärlich benutzt. In der Regel finden in den 1101 Gemeinden um die 30 Bürgerentscheide pro Jahr statt (ausgehend entweder von einer Bürgerinitiative per Bürgerbegehren oder durch Beschluss des Gemeinderates per Ratsreferendum) und es werden grob zwischen 30-40 Unterschriftensammlungen für ein Bürgerbegehren gestartet.

Die konkreten Zahlen zu den Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in Baden-Württemberg von 2021 zeigen, wie differenziert die Instrumente der direkten Demokratie inhaltlich bewertet werden müssen: Von 30 Bürgerentscheiden waren 9 vom Gemeinderat selbst initiiert (Ratsreferenden). Bei Baugebieten sind 3 dafür und 2 dagegen ausgegangen, bei Gewerbegebieten einer dafür und 2 dagegen. Die einzige Abstimmung zu Windenergieanlagen ging mit einem Pro aus. Die Motive der Bürgerinitiativen sind vielfältig. Die Begehren gegen neue Gewerbegebiete werden beispielsweise oft mit Naturschutz begründet. Auffällig ist der Anstieg in den letzten Jahren von proakiven Begehren für Klimaanpassungsmaßnahmen. 

Alle Infos zu bisherigen und aktuellen Bürgerbegehren / Bürgerentscheiden finden Sie hier: https://www.mitentscheiden.de/buergerbegehren/aktuelle-verfahren/verfahren-2022