Die Landesregierung nimmt Mängel bei den direktdemokratischen Regelungen im Land nicht wahr, kritisiert der Landesverband von Mehr Demokratie e.V. Diese Erkenntnis zieht er aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Große Anfrage der Grünen zum Thema. So fehlen etwa in der amtlichen Statistik viele unzulässige Bürgerbegehren. Gleichzeitig will die Landesregierung nicht wahrhaben, dass die gesetzlichen Fallgruben bislang Volksbegehren in Baden-Württemberg verhindert haben. „Innenminister Rech,“ kommentiert Reinhard Hackl, Sprecher des Landesverbandes, „habe sich offensichtlich ins ‚Tal der Ahnungslosen’ zurückgezogen!“
Nahezu kein unzulässiges Bürgerbegehren habe es seit ihrer Reform im Jahr 2005 gegeben, behauptet die Landesregierung vollmundig in ihrer Antwort und sieht deshalb auch keinen weiteren Handlungsbedarf. Doch ihre Zahlen stimmen nicht. In der amtlichen Statistik fehlen schlicht die neun als unzulässig zurückgewiesenen Bürgerbegehren in dieser Zeit. Die Gründe für die Unzulässigkeit, nämlich die kurze 6-Wochenfrist bei Begehren gegen Gemeinderatsbeschlüsse und die Einschränkungen von Bürgerbegehren gegen Bebauungspläne, nimmt sie so nicht wahr. Dies ist nach Angaben von Hackl nicht der einzige Fehler in der ministeriellen Datenbasis. Auch gültige Bürgerentscheide fallen unter den Tisch. Der Verein bietet dem Ministerium seine Hilfestellung an und will seine Zahlen dem Ministerium zur Verfügung stellen.
In seiner Antwort begründen die Ministerialen wortreich, dass „die bestehenden Regelungen realistische Chancen für erfolgreiche Volksbegehren und Volksentscheide bieten.“ Woher die Landesregierung diese Weisheit bezieht, bleibt dem Leser aber verschlossen, da seit der Einführung dieser Regelung im Jahr 1974 kein einziges Volksbegehren im Land stattgefunden hat. Ganz anders als in Ländern mit bürgerfreundlicheren Mitbestimmungsregelungen: in Hamburg haben seit 1996 neun, in Sachsen seit 1992 vier und in Bayern seit 1946 schon 16 Volksbegehren stattgefunden.
„Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit!“ war ein viel gehörtes Zitat eines ehemaligen Ministerpräsidenten des Landes. Sein Nachfolger muss, nach Meinung des Fachverbandes, im Bereich der direkten Demokratie erst noch lernen, sie zu sehen!“