Superwahl-Sonntag: Bürger/innen sagen drei Mal JA zu Plänen des Gemeindrates - Kritik an geplantem Bürgerentscheid in Radolfzell

Bürgerentscheide in Rottweil, Eisingen, Eschenbach: Bürger sagen nachdrücklich JA zu Großgefängnis, Flüchtlingsunterkunft und Mehrzweckhalle! Kritik am kommenden Bürgerentscheid in Radolfzell

 
Am vergangenen Sonntag fanden in drei baden-württembergischen Gemeinden Bürgerentscheide statt. In allen drei Entscheiden haben die Bürger/innen sich gegen das jeweilige Anliegen der Bürgerinitiative ausgesprochen und damit die Planungen des Gemeinderates mit einem direktdemokratischen Votum bestätigt.


Mehr Demokratie e.V.: „Bürgerbeteiligung zum Großgefängnis auf allen Ebenen vorbildlich!“

Im Gegensatz zu Tuningen im Juli letzten Jahres, haben sich die Bürger/innen aus Rottweil am Sonntag zu 58,4 Prozent für den Bau eines Großgefängnisses in ihrer Stadt ausgesprochen. Bei 48,5 Prozent Wahlbeteiligung konnten die Gefängnisbefürworter das geltende 25-Quorum knapp überspringen, ihre Stimmen entsprachen 28,2 Prozent der Wahlberechtigten. „Die Gemeinde Rottweil hat damit gepunktet, den Bürgerentscheid fair und in enger Absprache mit der Bürgerinitiative vorzubereiten“, urteilt Sarah Händel, Landesgeschäftsführerin von Mehr Demokratie Baden-Württemberg. „So rücken die inhaltlichen Argumente in den Vordergrund statt Streitereien um das Verfahren.“
Besonders hervorzuheben sei die gemeinsam Koordinierungsgruppe zur Vorbereitung des Entscheids von Gemeinde und BI, damit sei Rottweil neue vorbildliche Wege gegangen. Mit diesem Ergebnis für einen geeigneten Standort für das Großgefängnis geht ein vorbildlicher Prozess der Bürgerbeteiligung zu Ende, lobt Mehr Demokratie e.V.. Die grün-rote Landesregierung und alle beteiligten Gemeinden hätten gezeigt, wie Bürgerbeteiligung auch bei umstrittenen Großprojekten funktioniere, so Händel.



Nach Au auch Bürger aus Eisingen für Flüchtlingsunterkunft

Nach dem Bürgerentscheid in Au am 19. Juli haben nun auch die Eisinger/innen mit einer großen Mehrheit von 61,8 Prozent für die vom Gemeinderat vorgeschlagene Unterkunft von Flüchtlingen in der alten Turnhalle gestimmt. „Die positive Stimmung in Deutschland beim Thema Flüchtlinge spiegelt sich bisher auch in den Ergebnissen der direkten Demokratie“, so Sarah Händel vom Verein Mehr Demokratie e.V., der Bürgerinitiativen zum Verfahren berät.
Mit diesem Votum habe Eisingen nun eine extrastarke Basis, um die neu ankommenden Flüchtlinge im Ort willkommen zu heißen und gut zu integrieren. Die überdurchschnittlich hohe Wahlbeteiligung von 54 Prozent habe zudem gezeigt, dass das Thema Flüchtlinge vielen Menschen wichtig sei und sie Flagge zeigen möchten.
„Dass die Menschen in Eisingen mit diesem sensiblen Thema so vernünftig umgegangen sind, zeugt von hoher demokratischer Reife“, sagt Händel. „Wir hoffen, dass auch andere Gemeinden bei zukünftigen Entscheiden durch ruhige und sachliche Debatten beweisen, dass Bürgerbeteiligung auch unter solch 'erschwerten Bedingungen' möglich ist.“



Mit überwältigendem Rückhalt kann Eschenbach an Mehrzweckhalle weiterplanen

Beeindruckende 63,4 Prozent der Eschenbacher wollten sicherstellen, dass ihr Stimme zählt beim Bürgerentscheid über den Bau einer Mehrzweckhalle. 70,1 Prozent der abstimmenden Bürger/innen hießen das Projekt gut und sorgen damit für eine breite demokratische Legitimation der Gemeinde zum Weiterbau. „ Die direkte Demokratie fordert die Bürger/innen auf Mitverantwortung für eine Entscheidung in ihrer Gemeinde zu tragen“, erklärt Sarah Händel vom Verein Mehr Demokratie e.V.. Ein JA zu ihren Plänen gäbe Gemeinderat und Bürgermeister besondere Schubkraft, ein NEIN verhindere, dass gegen den Willen der demokratischen Mehrheit gehandelt wird. Beides sollte im Interesse der demokratisch gewählten Volksvertreter/innen sein.



Weiterer Bürgerentscheid am 27. September in Radolfzell zur Seetorquerung – Ein faires Verfahren sieht anders aus. Kritik an der Gemeinde vom Verein Mehr Demokratie

Als Gegenbeispiel zum Positivvorbild Rottweil ist das Verhalten der Gemeinde Radolfzell zu werten. Mehr Demokratie kritisiert scharf, dass der Bürgerinitiative auf einer am kommenden Donnerstag stattfindenden Informationsveranstaltung nur 10 Minuten Redezeit zukommt. Noch gravierender sei der Mangel, dass in der Informationsbroschüre, die allen Haushalte zur besseren Entscheidungsfindung zugesandt wird, die Initiative nicht repräsentiert ist. Mit der von der Landesregierung angestrengten Reform werde es bald Gesetz, dass die Bürgerinitiative in der Abstimmungsbroschüre genau so viel Raum bekommt wie Gemeinderat und Bürgermeister, erklärt Landesgeschäftsführerin Sarah Händel von Mehr Demokratie Baden-Württemberg. Viele Gemeinden hielten sich aber schon seit Langem freiwillig an diesen demokratischen Standard und müssten nicht erst per Gesetz dazu angehalten werden, mit fairen Mitteln zu spielen. „Die Erfahrung zeigt, dass das Ergebnis eines Entscheids nur dann eine befriedenden Wirkung für die Gemeinde erzeugt, wenn der Prozess bis zur Abstimmung fair abgelaufen ist“, so Händel. Im Falle Radolfzell meldet der Verein große Zweifel an. „Die Bürgerinitiative hat unter Einbezug von externem Sachverstand viele Argumente erstellt und sogar Alternativen zum Gemeinderatsprojekt erarbeitet. Die Radolfzeller Bürger/innen haben es verdient, über diese Argumente genau so informiert zu werden wie über die vom Rat präferierte Vorzugsvariante“, fordert Händel. Die Seetorquerung sei mit einer nun veranschlagten Summe von über 23 Millionen Euro für die 30.000 Einwohnergemeinde ein Jahrhundertprojekt der Stadtentwicklung. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass bei einem Projekt dieser Größenordnung weder ein Architektenwettbewerb noch eine angemessene Bürgerbeteiligung stattgefunden hat“ kritisiert Händel. Man könne meinen, Radolfzell habe die letzten 20 Jahre Fortentwicklung beim Thema Beteiligung schlicht verschlafen.