Verein Mehr Demokratie rügt Radolfzell: Seetorquerung ist bürgerfernstes Verfahren 2015

Auf seiner alljährlichen Bilanz zu Bürgerbegehren in Baden-Württemberg heute in Stuttgart, verlieh der Verein Mehr Demokratie Radolfzell die Demokratie-Gurke 2015 für besonders bürgerunfreundliches Verhalten. Bei der hochumstrittenen Entscheidung zu der 24 Millionen teuren Seetorquerung habe Radolfzell den Dialog mit den Bürger nicht gesucht und beim Bürgerentscheid die Machtstellung des Gemeinderates ausgenutzt, befand der Verein. Der Initiative wurde nicht gestattet ihre Argumente in der Informationsbroschüre darzulegen, die an alle Haushalte vor der Abstimmung verschickt wurde: „Ein klarer Verstoß gegen ein zu Recht von den Bürgern erwartetes Fairness-Gebot“, meint Sarah Händel, Geschäftsführerin des Vereins.

 

Doch damit nicht genug. Als trotz der einseitigen Information eine Bürgermehrheit von 53 % gegen die Vorzugsvariante des Gemeinderates stimmte, setzte der sich in der Sache ungerührt über das Bürgervotum hinweg. Dass nur 100 Stimmen zur Überwindung des damals geltenden 25-Prozent-Quorum fehlten und bekannt war, dass dieses Quorum nur wenige Wochen später vom Landtag auf 20 Prozent gesenkt werden sollte, war für die Gemeinderatsmehrheit nicht der Rede wert.

 

„Radolfzell hat Basta-Politik praktiziert, wo die Bürger nach Dialog gerufen haben. Genau so wird das Vertrauen der Bürger in unsere Demokratie nachhaltig beschädigt“, so Händel. Der Verein hofft, dass die nun in Kraft getretenen Reformen dafür sorgen, dass Politik im Land mehr auf Augenhöhe und weniger von oben herab gemacht wird. Als Fachverband inhaltlich neutral ist Mehr Demokratie darauf ausgerichtet bei einem für alle Beteiligten fairen und somit demokratiestärkenden Prozess zu unterstützen.

 

Ein Angebot zusammen mit Oberbürgermeister Staab eine Veranstaltung zu den Herausforderungen bürgernaher Politik zu organisieren blieb bisher unbeantwortet. Dass Bürgerbeteiligung auch bei schwierigen Entscheidungen gelingen kann, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, hat die Stadt Rottweil mit Unterstützung des Staatsministeriums bewiesen. Um den Bürgerentscheid zum umstrittenen Großgefängnis vorzubereiten, wurde eigens eine Begleitgruppe mit allen Initiativen ins Leben gerufen. Auch nach dem Entscheid, der pro Gefängnis ausging, besteht diese nun fort und beteiligt verschiedene Gruppen an einer guten Einbettung des Gefängnisses in die Kommune. Für so viel Bürgernähe erhält Rottweil vom Verein die Demokratie-Rose 2015.

 

Im Anhang finden Sie die <link file:18188>detailliertere Zusammenfassung der Bürgerbegehrensbilanz 2015.