Erstes Treffen des baden-württembergischen TTIP-Beirates – ist Beteiligung nachholbar?

Mit einigem stolz eröffnete Europaminister Peter Friedrich die erste Sitzung des TTIP-Beirates der Landesregierung. Man sei das erste Bundesland, dass neben der Bundesregierung einen solchen Beirat eingerichtet habe, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Verhandlungen zu stärken und die vielbemängelte Transparenz und fehlende Beteiligung der Zivilgesellschaft quasi nachzuholen. Ob das gelingt, muss sich erst noch beweisen!

 

Von Sarah Händel

 

33 Vertreter/innen verschiedenster teils kritisch-ablehendender, teils befürwortender Organisationen wie BUND, DGB, Transparency International, die Verbraucherzentrale, der Genossenschaftsverband, aber auch die Arbeitgebervereinigung, der Städte- und der Gemeindetag, Vertreter der Wissenschaft und der Parteien und auch ich war für Mehr Demokratie in den Speisesaal des alten Schlosses geladen (zur vollständigen Teilnehmerliste).


Nach fast 1,5 Stunden Einführung und Erläuterungen zum Sachstand bei den Verhandlungen durch die Minister Friedrich und Bonde, einem Staatssekretär, den EU-Komissionsvertreter Güllner und MdEP Caspary, war die Stimmung schon etwas aufgeheizt. Denn neben einigen Informationen zum Sachstand, zum Beispiel in welchen TTIP-Verhandlungsbereichen schon konsolidierte Texte bestehen, war dieser erste Block doch ein klares TTIP-Verteidungsungsplädoyer, ohne für und wieder, ohne kritische Noten und zumindest teilweise auf dem gleichen oberflächlichen Argumentationsniveau, das man von der bisherigen öffentlichen Debatte gewohnt ist.


Die nachfolgenden Wortbeiträge einiger Beiratsmitglieder machten deutlich, dass man vom Beirat mehr erwartet. Von BUND-Vorsitzender Brigitte Dahlbender wurde klargestellt, dass einige Organisationen TTIP gänzlich ablehnen und nicht da sein, um an der ein oder anderen Verbesserung mitzuarbeiten. Es müsse daher eine Offenheit bestehen, Themen ganz grundsätzlich zu diskutieren. Außerdem wurden die Forderungen aufgestellt öfter zu tagen als 2 Mal im Jahr, dass beim nächsten Mal die Möglichkeit besteht, das Thema auf der Tagesordnung mitzubestimmen und ebenfalls Vorschläge für Experten einreichen zu können.


Das erste Treffen war, wie zu erwarten, inhaltlich nicht sehr fruchtbar. 3 Stunden sind bei einem so komplexen Thema wie TTIP und 33 Teilnehmerorganisationen einfach zu knapp, wenn es keinen inhaltlichen Fokus gibt. Minister Friedrich hat angekündigt, dass in die nächsten Sitzungen 4 Themenblöcke getrennt diskutiert werden sollen:

 

  1. Mögliche Absenkung von Standards /Daseinsvorsorge

  2. Marktzugang

  3. ISDS

  4. Demokratische Legitimation / Regulatorische Kooperation

Angedacht wurden auch kleinere Arbeitsgruppen, aber da es doch grundsätzlich um den Austausch der verschiedenen Organisationen miteinander geht, ist erst mal weiter die Diskussion im großen Plenum geplant.

 

Wir lassen uns nicht in die Verantwortung für TTIP kooptieren, wir wolles es stoppen!

Mein persönlicher Höhepunkt war die Reaktion des Minsters Friedrich auf meinen Beitrag, der eigentlich hauptsächlich an den MdEP Caspary gerichtet war. Ich hatte die Andeutung Casparys zurückgewiesen, dass manche Akteure in der Anti-TTIP-Bewegung gezielt mit Verunsicherungsstrategien arbeiten würden, da die bisher geschlossenen Abkommen ja zeigen würden, dass die jetzt geäußerten Ängste unbegründet seien, da in keinem dieser Abkommen zum Beispiel die Senkung von Standards beschlossen wurde.

Darauf erwiderte ich, dass ich sehr wohl nachvollziehen kann, dass viele Menschen das Vertrauen in die Politiker verloren haben. Der offensichtlichste Grund dafür ist, dass sie Jahrzehntelang Abkommen zugestimmt haben, die hoch missbrauchsanfällige Investor-Staats-Schiedsgerichte enthalten. Darauf antwortete Minister Friedrich dann leicht pikiert, dass es doch wenig hilfreich sei, hier von „den Politikern“ zu sprechen und da eine Spaltung aufzumachen. „So lange Sie hier sitzen Frau Händel, sind auch Sie Politiker“. Diese Kooptierung der Beiratsmitglieder in die Verantwortung für TTIP lehne ich jedoch sehr stark hab. Durch unsere Teilnahme am Beirat nehmen wir unsere generelle Verantwortung für die Entwicklung dieser Gesellschaft wahr und tragen die Sorgen der fast 3 Millionen Menschen, die unsere europäische Bürgerinitiative „STOPP TTIP“ unterschrieben haben, an die politisch Verantwortlichen heran. Es ist jedoch deren Aufgabe alle Argumente sorgfältig abzuwiegen und am Ende eine Entscheidung zu treffen. Wir möchten diesen Beirat nutzen, um in einem ehrlichen Austausch ein tieferes Verständnis für unsere geäußerten Sorgen und Forderungen zu erzeugen. Dabei muss es selbstverständlich erlaubt sein, ja ist es sogar notwendig, auch den Vertrauensverlust in die Politik und die tieferliegenden Gründe dafür zu thematisieren. Denn auch aus unserer Sicht beinhaltet TTIP sehr wohl Chancen, und eine ganz herausragende ist die Chance für uns alle, anhand von TTIP endlich das Demokratiedefizit in der EU zu identifizieren und gemeinsam anzugehen. Und wenn die Politiker die Verantwortung für TTIP nicht alleine tragen wollen, sollten sie die Bürger/innen über das Verhandlungsergebnis am Ende einfach abstimmen lassen!


Die gesamte erste Sitzung des TTIP-Beirates wurde aufgenommen und steht wohl bald hier als Video zur Verfügung.