Kein neues Rathaus in Schallstadt

Von Sarah Händel

Um die Neugestaltung der Ortsmitte ging es in Schallstadt, einem 6000-Seelen Städtchen in Baden. Zur Neugestaltung sollte auch ein neues Rathaus gehören, beschloss der Gemeinderat mit 10 zu 4 Stimmen im Oktober 2012. Doch in der Bevölkerung gab es andere Meinungen. Die Bürgerinitiative „Kein Rauthausneubau“ hätte 470 Unterschriften gebraucht, um das geltende Quorum von 10 Prozent der Wahlberechtigten zu erfüllen. Eingereicht wurden sogar über 900 Unterschriften und zwar im gesetzlich vorgegebenen Rahmen von 6 Wochen nach dem Gemeinderatsbeschluss.

Am 17. Marz wurden die Bürger nach kleinen Streitigkeiten über die Fragestellung an die Wahlurnen gebeten. Die Fragestellung lautete: "Stimmen Sie gegen die Einbeziehung des Neubaus eines Rathauses in die künftige gemeinsame Ortsmitte Schallstadt?"

Das Wahlergebnis zeigt die Bürgermeinung: bei 55, 5 Prozent Wahlbeteiligung stimmten 32,2 mit ja als gegen einen Rathausneubau und 23,1 mit nein als für den Rathausneubau. Diese Umkehrung der Fragestellung ist notwendig, wenn absolute Rechtssicherheit auch bei dem unwahrscheinlichen Ergebnis einer Stimmengleichheit herrschen soll. Wenn ein Bürgerentscheid eine Änderung des Status Quo darstellt, also sich gegen einen Beschluss des Gemeinderates wendet, ist bei Stimmengleichheit der Bürgerentscheid gescheitert. Deswegen muss die Änderung bejat werden. Dieses Detail ist übrigens auch der Grund für die komplizierte Fragestellung beim Volksentscheid zu Stuttgart 21, wo ebenfalls abgefragt werden musste, ob die BürgerInnen für den Ausstieg aus dem Finanzierungsvertrag für S21 sind.

In Schallstadt interessant war das Unverständnis des Bürgermeisters für eine grüne Gemeinderätin, die sich der Bürgerinitiative angeschlossen und auch an der Unterschriftensammlung beteiligt hat. Hier spiegelt sich eine zu starre Sichtweise auf die direkte Demokratie als Verfahren der Bürger gegen die Politik. Selbstverständlich können die Bürger es anwenden, wenn sie befürchten, dass eine repräsentative Entscheidung nicht dem Mehrheitswillen der Bevölkerung entspricht, doch bis zum Entscheid ist völlig offen, was die Mehrheit möchte. Die Phase vor dem Entscheid ist Demokratie in Reinform: Bürger ergreifen die Initiative, weil sie eine Sachfrage für so wichtig halten, dass sie sich engagieren wollen für breite Information und eine Bürgerentscheidung in dieser Sache. In dieser Zeit wird die Politik in die Bürgerschaft zurückgetragen und alle Bürger sind dazu aufgerufen sich mit der Angelegenheit zu befassen und Position zu beziehen. Diskussion, Verhandlungen und enge Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat auch während des Verfahrens sind dabei immer sinnvoll, auch um eventuelle Kompromisslösungen zu finden.

Dass sich in einem Verfahren der direkten Demokratie auch Parteien positionieren und sich, auch in Form von Einzelpersonen, für die Initiative einsetzen, ist in keinster Weise zu verurteilen, sondern betont eine sehr viel produktivere Sichtweise auf die Situation: Politiker sind selbst Bürger und agieren und entscheiden mit allen anderen zusammen beim Bürgerentscheid. Die direkte Demokratie ist nicht dazu da, einen Keil zwischen Bürger und Politiker zu treiben, sondern schlicht, um Politik in Einzelfällen an den Bürgerwillen rückzukoppeln.