Bürgerbegehrensbilanz 2013: Wenig direktdemokratische Praxis - 40 Prozent der Bürgerbegehren scheitern

Neuer Trend: Gemeindeparlamente lassen Bürgerinnen und Bürger immer öfter entscheiden

Die Anzahl der Verfahren gelebter direkter Demokratie in Baden-Württemberg bleibt wie in den Vorjahren auf niedrigem Niveau. 2013 hat es insgesamt 35 Verfahren in den 1100 Gemeinden gegeben. 23 Verfahren wurden von den Bürgern selbst durch Unterschriftensammlung angestoßen und 12 Mal wurde aus dem Gemeinderat heraus ein sogenanntes Ratsreferendum beantragt, um die Bürger zu einem Thema abstimmen zu lassen. 6 Mal fand dieses Ansinnen jedoch nicht die notwendige 2/3-Mehrheit im Gemeinderat. Von den 23 Bürgerbegehren sind 10 bis zum Entscheid gelangt. In fünf Fällen stimmte die Bürgerschaft dem Ansinnen der Initiative zu und ein weiteres Begehren wurde vom Gemeinderat übernommen. Das entspricht einer Erfolgsrate der Initiativen von 60 Prozent, wenn das Begehren zulässig war. Rund 40 Prozent der Bürgerbegehren scheiterte an den derzeit geltenden hohen gesetzlichen Hürden. Für einen vorbildlich organisierten Bürgerentscheid zur unechten Teilortswahl wurde die Demokratierose 2013 an die „Mitmachstadt“ Herrenberg verliehen.


Die auffälligste Entwicklung 2013 war die hohe Anzahl an Ratsbegehren bzw. aus dem Gemeinderat gestartete Initiativen dazu. Während in den Jahren zuvor Gemeinderäte eher mal ein gescheitertes Bürgerbegehren aufgegriffen haben, um es doch noch zur Abstimmung zu bringen, wollten Gemeinderäte 2013 vermehrt von sich aus Sachfragen zur Bürgerabstimmung stellen. Weitere Ratsreferenden sind bereits angekündigt (u.a. Freiburg: Neues Fußballstadion). Mehr Demokratie e.V. begrüßt diese Entwicklung, bei wichtigen Entscheidungen durch einen Bürgerentscheid die Bürger/innen vermehrt zu beteiligen und fordert in einer aktuellen Demokratie-Kampagne zur Kommunalwahl alle Gemeinden dazu auf dies öfter zu tun. In 6 Fällen kam die dafür notwendige 2/3-Mehrheit im Gemeinderat jedoch nicht zustande. Mehr Demokratie schlägt deswegen vor 50 Prozent Zustimmung in den Gemeinderäten für einen Ratsbürgerentscheid ausreichen zu lassen, wie es schon jetzt in Bayern praktiziert wird.


Wie schon seit vielen Jahren scheiterten um die 40 Prozent der von den Bürgern angeschobenen Verfahren an den bürgerunfreundlichen baden-württembergischen Hürden, wie dem Themenausschluss Bauleitplanung (4 Fälle) oder der Einhaltung der 6-Wochen-Frist nach Gemeinderatsbeschlüssen. Von den 10 Bürgerentscheiden, die die Bürger/innen erwirken konnten, scheiterten zwei auf der Zielgerade am 25%-Zustimmungsquorum. Trotz deutlichen Abstimmungsmehrheiten für das Anliegen erlangten diese Abstimmungen keine rechtliche Gültigkeit und die Entscheidung in der Sache fiel zurück an den Gemeinderat. Fünf Mal hat sich die Bürgerinitiative mit ihrem Vorschlag an der Abstimmungsurne durchgesetzt und 3 Mal stimmte die Bürgerschaft gegen den Vorschlag der Initiative. 3 Bürgerbegehren sind zum jetzigen Zeitpunkt noch offen.


„Die von den Fraktionen ausgehandelten Reformen werden in den Kommunen nur bedingt zu mehr Mitbestimmung der Bürger führen“, so Sarah Händel, Vorstandsmitglied von Mehr Demokratie e.V.. „Zwar ist die Öffnung der Bauleitplanung ein großer Schritt, aber die weiterhin geltenden Fristen werden immer wieder zu einem unnötigen Scheitern von Initiativen führen“. Auch das Zustimmungsquorum von 20 Prozent sei für größere Gemeinden nur schwer zu schaffen. Baden-Württemberg hinke hier Entwicklungen in anderen Bundesländern wie Bayern hinterher. „Bayern zeigt zudem: am wichtigsten ist eine lebendige Praxis und Aufklärung darüber, dass die direkte Demokratie existiert und wie sie funktioniert“, so Händel. Wenn dann noch die Kooperation zwischen Initiatoren und Gemeinde durch eine Beratungsoption und die Zusammenarbeit bei der Erstellung eines Abstimmungsheftes verbessert würde, habe die direkte Demokratie gute Chancen nicht als Affront, sondern als Bereicherung der Politik zu wirken.


Der Demokratie-Rose 2013 für die vorbildliche Begleitung eines Bürgerentscheids wurde dem Gemeinderat und dem Oberbürgermeister der Stadt Herrenberg verliehen. Bei dem Entscheid zur Abschaffung der unechten Teilortswahl fanden im Vorfeld Diskussionen und eine ausführliche Information der Bürgerschaft statt. Vor der Abstimmung gab es eine ausgewogene Informationsbroschüre und um eine hohe Beteiligung zu sichern, wurde die Abstimmung mit einer Wahl zusammengelegt. Eine Stärkung der Ortschaften wird auf anderen Wegen sichergestellt. Nach Weissach im Tal (2008) und Heidelberg (2009), wird die Demokratierose in Herrenberg zum dritten Mal verliehen.


Anbei finden Sie die Übersichts-Tabellen zur Bürgerbegehrensbilanz 2013.


Zudem noch eine zusätzliche PM zur Verleihung der Demokratie-Rose.


Zu unseren Forderungen aus der aktuellen Demokratie-Kampagne anlässlich der Kommunalwahl: <link http: www.mitentscheiden.de demokratiebausteine-bw.html>www.mitentscheiden.de/demokratiebausteine-bw.html