Seit wenigen Tagen sammelt eine Bürgerinitiative im Landkreis Göppingen Unterschriften auf Zulassung eines landesweiten Volksbegehrens, das zu einem landesweiten Volksentscheid führen kann. Dafür sind 10.000 Unterstützungsunterschriften notwendig. Ziel ist die generelle Einführung von Bürgerbegehren und -entscheiden auf Landkreisebene. „Dass Baden-Württemberg neben Hessen das einzige Flächenbundesland ohne diese Instrumente auf Kreisebene ist, ist für ein an Bürgerbeteiligung interessiertes Land inakzeptabel“, sagt Edgar Wunder, Landesvorsitzender von Mehr Demokratie e.V. in Baden-Württemberg. „Der jetzt anlaufende Antrag auf Volksbegehren zeigt, dass der Landesgesetzgeber hier noch Hausaufgaben zu erledigen hat.“ Zuletzt hatte die grün-schwarze Landtagsmehrheit im Oktober 2020 einen entsprechenden Gesetzentwurf der Opposition abgeschmettert.
„Die Ermöglichung von Bürgerbegehren auf Kreisebene im Koalitionsvertrag mit keiner Silbe zu erwähnen, war ein Fehler, den die Regierung rasch beheben sollte“, sagt Wunder. Dass die Initiative dazu nun vom Landkreis Göppingen ausgeht, liege an der spezifischen Situation vor Ort: „Zwischen den Gemeinden im oberen Filstal mit ihren etwa 100.000 Einwohnern und dem Kreistag ist das Tischtuch offensichtlich zerschnitten“, analysiert Wunder die Lage. „Sonst hätten mit Geislingen und Böhmenkirch nicht gleich zwei Gemeinden einen Bürgerentscheid am Tag der Bundestagswahl beschlossen mit dem Ziel, aus dem Landkreis auszutreten – ein Hilferuf an die Landespolitik.“ Unabhängig vom Ausgang der Bürgerentscheide kann nur der Landtag über den Wechsel von Gemeinden in einen anderen Landkreis entscheiden. Stein des Anstoßes im Kreis Göppingen war zuletzt die vom Kreistag beschlossene Schließung der Helfenstein-Klinik. „Mit Bürgerbegehren auf Kreisebene hätte sich dieser Konflikt in geregelten Bahnen fair austragen und befrieden lassen“, erklärt Wunder – statt nun empört auf einen Wechsel des Landkreises zu setzen.
„Das Problem mag in Göppingen augenfällig sein, tritt aber auch in anderen Landkreisen immer wieder auf“, sagt Wunder. Mehrmals pro Jahr erhalte die Beratungsstelle von Mehr Demokratie e.V. Anfragen zu angestrebten Bürgerbegehren auf Kreisebene. Die Bürgerinnen und Bürger seien stets über die Antwort erstaunt: „Wenn Sie das wollen, müssen Sie in ein anderes Bundesland umziehen, denn in Baden-Württemberg ist das bislang nicht zulässig.“ Daher ruft Mehr Demokratie e.V. jetzt auch landesweit zur Unterstützung des Antrags auf Volksbegehren aus dem Landkreis Göppingen auf. Die 10.000 benötigten Unterschriften können überall aus Baden-Württemberg kommen. „Spätestens wenn ein landesweiter Volksentscheid über dieses Thema vor der Tür steht, wird der Landesgesetzgeber die Dringlichkeit dieses Wunsches nach Bürgerbeteiligung auf Landkreisebene einsehen und sich damit befassen müssen“, so Wunder. Früher wäre wünschenswert.
Hier finden Sie die Unterschriftenliste des Antrags. Hier finden Sie den Gesetzentwurf. Hier geht es zur Website der Initiative.