Mehr Demokratie kritisiert irreführende Fragestellung im Demokratie-Monitoring der Landesregierung

Debatte zur direkten Demokratie ist nicht „von gestern“ 

Am letzte Woche veröffentlichten Demokratie-Monitoring, das von der Landesregierung in Auftrag gegeben wurde, kritisiert der Verein Mehr Demokratie eine irreführende Fragestellung zur direkten Demokratie. Die Demokratie in Baden-Württemberg und allen anderen Bundesländern funktioniert im Kern nach dem repräsentativen Prinzip. Ein Mechanismus „alle wichtigen Entscheidungen” direktdemokratisch zu treffen, stehe nicht zur Debatte und sei auch nicht umsetzbar, denn es könne nicht abstrakt festgelegt werden, welche Entscheidungen unwichtig und welche wichtig sind. Sarah Händel, Landesgeschäftsführerin von Mehr Demokratie e.V.: „Hier wird die direkte Demokratie künstlich den dialogischen-repräsentativen Verfahren gegenübergestellt, obwohl schon lange klar ist, dass die Bürgerinnen und Bürger alles wollen: frühzeitig einbezogen werden, gehört werden und punktuell mitentscheiden.“

Bei welchen Fragen das gewünscht ist, zeigen die Bürgerinnen und Bürger selbst an, indem sie Unterschriften für ein Bürgerbegehren oder Volksbegehren sammeln. Die Aufgabe der Politik sei es, dafür zu sorgen, dass die Bürgerschaft ihr Recht auf Bürger- und Volksbegehren auch konstruktiv nutzen könne und dafür seien dringend Reformen notwendig. In den Kommunen scheitern viele Bürgerbegehren z.B. an der komplizierten Erstellung von unverbindlichen Kostendeckungsvorschlägen schon auf dem Unterschriftenformular, obwohl das - wie z.B. in Rheinland-Pfalz - ganz unbürokratisch durch eine Kostenschätzung der Verwaltung in der Informationsbroschüre zum Bürgerentscheid ersetzt werden könnte.

Und auf Landesebene müssten die 800.000 Unterschriften für ein Volksbegehren immer noch aufwändig mit Papierlisten auf der Straße gesammelt werden. Nach Händel eröffne erst die Möglichkeit, ein Volksbegehren online zu unterstützen, eine realistische Chance diese hohe Hürde zu überspringen und spare zudem noch Kosten. „Es ist traurig, dass die Politik das Eigenengagement der Bevölkerung scheinbar für verzichtbar hält, anstatt es zu begrüßen, wenn die Zivilgesellschaft durch konkrete Vorschläge die öffentliche Debatte zu Sachthemen stärkt“, so Händel. Spezielle Herausforderungen bei direktdemokratischen Verfahren lassen sich durch sinnvolle Verknüpfung mit dialogischen Verfahren angehen. “Doch die einzigartige Fähigkeit direkter Demokratie, Menschen in großer Zahl in die Demokratie einzubeziehen, ist gerade in der heutigen Zeit unverzichtbar”, so Händel. Die Debatte dazu sei deswegen alles andere als „von gestern”, wie von der Staatsrätin für Bürgerbeteiligung angedeutet, sondern gehöre ganz oben auf die Tagesordnung.