Volksbegehrensbericht und Bürgerbegehrensbericht 2010:

"Mehr Mitbestimmung in anderen Bundesländern - keine in Baden-Württemberg!"

 

In den Gemeinden Stärkung der Bürger durch Gericht - hoher Reformbedarf!

 

Die Bürgerinnen und Bürger entdecken in immer mehr Ländern ihre Leidenschaft für die politische Mitbestimmung. Nach einem vom Fachverband Mehr Demokratie e.V. am Dienstag vorgelegten Volksbegehrensbericht haben in 8 Bundesländern seit 2000 wesentliche Reformen der Volksgesetzgebung stattgefunden. u.a. in Berlin, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Aktuell sind auch im Saarland weitreichende Reformen im Gespräch. „Allein Baden-Württemberg und Hessen verweigern ihren Bürgern weitergehende Mitbestimmungsrechte“, beklagt Landesvorstandssprecher Reinhard Hackl.

2010 konnten die Bürger in Bayern über den Nichtraucherschutz und in Hamburg über die Primarschule abstimmen. Dazu kamen 4 Volksbegehren, die Vorstufe zum Volksentscheid, in Berlin, zur Geheimhaltung der Wasserverträge, (inzwischen im Bürgerentscheid erfolgreich), in Thüringen gegen die Kürzungen bei den Kindertagesstätten (inzwischen durch den Gesetzgeber aufgegriffen) , in Sachsen-Anhalt, gegen eine Gemeindereform (klar das Unterschriftenquorum verfehlt) sowie in Niedersachsen gegen die Verkürzung der Gymnasialzeit von 9 auf 8 Jahre (läuft noch). Themenschwerpunkte der direktdemokratischen Beteiligung waren Schule und Bildung mit rund 31 Prozent sowie Demokratie und Innenpolitik mit 25 Prozent.

Offenkundig ist, dass dort, wo die gesetzlichen Rahmenbedingungen schlecht sind, nämlich im Saarland und in Baden-Württemberg, weder Volksbegehren noch Volksentscheide stattfinden. Für Mehr Demokratie sind dafür in Baden-Württemberg insbesondere die hohen Hürden beim Volksbegehren verantwortlich. Hier muss ein Gesetzesvorschlag der Bürgerschaft von 16,6 Prozent der Bürger, ( 1,27 Mio.), innerhalb von zwei Wochen in den Rathäusern unterschrieben werden. Mehr Demokratie fordert, diese Hürde abzusenken: Es sollten Unterschriften von 5 Prozent der Bürger (knapp 400 000) genügen, die innerhalb von sechs Monaten auf der Straße gesammelt werden können.

Als positiv empfindet es der Landesverband, dass die Diskussion um Stuttgart 21 auch der Debatte über faire Regelungen für Volksbegehren neuen Auftrieb gegeben hat und alle Parteien außer der CDU hier wirkliche Verbesserungen anstreben. In einem Wahlaufruf empfiehlt Mehr Demokratie den Bürgern, nur solche Parteien zu wählen, welche die Bürgerschaft auch zwischen den Wahlen mitentscheiden lassen wollen.

Den Volksbegehrensbericht kann [<link http: www.mehr-demokratie.de volksbegehrensbericht.html>hier] heruntergeladen werden.

 

Bürgerbegehrensbericht

Die Bürger im Ländle konnten im Jahr 2010 immerhin auf kommunaler Ebene Mitbestimmungsrechte wahrnehmen. So gab es 2010 immerhin 23 Bürger- und ein Ratsbegehren. Es fanden immerhin 9 Bürgerentscheide statt.

Nur bei zwei Abstimmungen erreichte die Bürgerinitiative bei der Abstimmung nicht die Mehrheit. Denkbar knapp mit 11 Stimmen Unterschied unterlagen in Dettenhausen die Gegner eines Einkaufzentrums. Noch knapper war es in Bad Bellingen (Sanierung Mehrzweckhalle), hier unterlag die Initiative nur mit einer Stimme. In Hechingen (Sanierung Hallenfreibad) und in Sindelfingen (Schließung der Klostergartenhauptschule) erreichten die Initiativen bei der Abstimmung zwar eine Mehrheit, die Abstimmung blieb aber unverbindlich, weil sie die Hürde des sog. Zustimmungsquorums nicht übersprang, d.h. diese Mehrheit nicht gleichzeitig 25 Prozent der Wahlberechtigten entsprach. Mehr Demokratie spricht deshalb von "unecht" gescheiterten Bürgerbegehren.

Zu diesen 2 kommen noch 6 Bürgerbegehren die für unzulässig erklärt wurden; so z.B. das Bürgerbegehren gegen das Wellness- und Sportbad in Sinsheim sowie gegen den Standort eines Lebensmittelmarkte in St. Peter im Schwarzwald. Insgesamt scheiterten so 8 von 23 Bürgerbegehren, rund 35 Prozent, an den formalen Hürden unserer Gemeindeordnung. Mehr Demokratie fordert deshalb u.a., dass Bürgerbegehren auch in Baden-Württemberg zu Bauleitplanungen zulässig sind, dass es keine Fristen mehr für Bürgerbegehren gegen Gemeinderatsbeschlüsse gibt und dass ein fehlender Kostendeckungsvorschlag nicht zur Unzulässigkeit eines Bürgerbegehrens führen darf.

In einem bemerkenswerten Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim am 30. September 2010 die Mitwirkungsrechte der Bürger gestärkt, stellt die [<link http: www.bürgerentscheidnagold.de> Initiative ] fest. Mit der Entscheidung wurde einem Eilantrag auf Zulassung eines Bürgerbegehrens gegen die Schlossbergtreppe in Nagold zugestimmt. Stadtoberhaupt und Gemeinderat hatten geglaubt, mit der Verlagerung der Planungsentscheidungen über die Treppe in eine nicht öffentlich tagende GmbH die Mitspracherechte der Bürger umgehen zu können. Der Verwaltungsgerichtshof sah dies anders und ließ das Bürgerbegehren zu.