Kita-Volksbegehren: Aktuelle Stunde im Landtag

In der Aktuellen Stunde zum Kita-Volksbegehren am 15. Mai wurde im Landtag über direkte Demokratie gestritten. Dürfen Volksbegehren Forderungen haben, die das Land Geld kosten?

 

Jetzt Aufruf „Lasst uns endlich abstimmen!“ unterzeichnen: www.volksentscheid-vor-gericht.de

 

Da waren sich die Fachleute einig. Eine solche Unruhe gab es im Landtag und vor allem auf der Regierungsbank lange nicht. Am 15. Mai wurde auf Antrag der SPD eine Aktuelle Stunde zum Thema „Endstation direkte Demokratie“ abgehalten. Dabei ging es um das unzulässig erklärte Kita-Volksbegehren.

Von der SPD initiierte Volksbegehren „Gebührenfreie Kitas“ wurde vom zuständigen Innenministerium für unzulässig erklärt. Dagegen reichten die Vertrauenspersonen des Volksbegehrens Klage beim Verfassunsgerichtshof ein. Die SPD wollte mit der Aktuellen Stunde im Landtag die Frage aufwerfen, inwieweit nach Meinung des Parlaments finanz- oder haushaltswirksame Gesetze von Volksbegehren ausgeschlossen seien, wenn doch in der Landesverfassung explizit nur das „Staatshaushaltsgesetz“ genannt ist.

 

Die Redebeiträge - SPD und FDP mit Argumenten für haushaltswirksame Volksbegehren

 

Andreas Stoch, Fraktionsvorsitzender der SPD, richtete sich direkt an Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seine Politik des Gehörtwerdens und fragte, wo das Mehr an Demokratie in Baden-Württemberg sei, wenn Volksbegehren faktisch unmöglich seien oder zumindest unter einem Finanzvorbehalt stehen: „Wenn direkte Demokratie kein Geld kosten darf, dann können Sie sie gleich abschaffen.“ (Andreas Stoch)

 

Argumentativ wurde die SPD von FDP/DVP-Fraktion. Ulrich Goll sprach im Namen der Fraktion, dass diese das Volksbegehren nicht unterschreiben, es aber sehr wohl zulassen würde. Nach dem ehemaligen Justizminister stünden die Bedenken des Innenministeriums auf wackligen Füßen. Der vom Innenministerium ins Feld geführte Haushaltsvorbehalt sei das Ende jeglicher direkter Demokratie. Er führte weiterhin an, dass das Justizministerium keine wesentlichen Bedenken gegen das Volksbegehren hatte und warf der Landesregierung eine Vorgehensweise vor, die händeringend nach Auswegen und Verhinderungsgründen suche, sobald direkte Demokratie ins Spiel komme.

 

Wenig Substanzielles - AfD polemisiert gegen SPD, Grüne und CDU wiederholen Position des Innenministeriums

 

 

Nese Erikli sprach für die Grünen und äußerte sich in keiner Weise dazu, wie ihre Fraktion zur Kostenfrage steht und bezog sich in ihrer Antwort einzig auf den Prozess vor dem Verfassungsgerichtshof. Vielmehr sprach sie von den Ergebnissen der Reformen bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden auf kommunaler Ebene aus dem Jahr 2015. Mehr Demokratie kritisierte diese Diskussionsverweigerung in einer Pressemitteilung.

 

Daniel Rottmann (AfD) sah im Antrag der SPD einen „stummen Schrei nach Liebe“. Er nutzte seine Redezeit für einen parteipolitischen Angriff. Das Volksbegehren und die Aktuelle Stunde seien allein Versuche wieder vermehrt öffentlich und politisch wahrgenommen zu werden, nachdem man kein Regierungspartner mehr ist. Die AfD hatte als Partei, die gerne die Vertreterin für direkte Demokratie wäre, hatte sachlich und fachlich nichts beizutragen.

 

Arnulf Freiherr von Eyb (CDU) stellte sich hinter Gutachten des Innenministeriums und gab dessen Position wider. Volksbegehren, die haushaltswirksame Gesetze mit „erheblichen Summen“ zur Abstimmung bringen wollen, seien nicht zulässig. Wie bereits Nese Eriklo verwies er seine Kolleg*innen darauf, die Gerichtsentscheidung abwarten.

 

Innenminister Thomas Strobl (CDU) nannte ebenfalls noch einmal die Punkte, wegen derer das Innenministerium das Volksbegehren für unzulässig erklärte und bezog sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dem Wesen nach setzte er dabei das Staatshaushaltsgesetz mit haushaltswirksamen Gesetzen gleich. Außerdem zitierte Strobl aus einem neuen, extra in Auftrag gegebenen Gutachten des Staatsrechtlers Ferdinand Kirchhof.

 

Namentliche Abstimmung zur Interpretation von Art. 59 Abs. 3 LV BW

 

Die große Aufregung kam dann am Ende. Die SPD-Fraktion stellte einen Änderungsantrag mit namentlicher Abstimmung zu der Frage, dass der Verfassungsgesetzgeber mit der Formulierung in Art. 59 LV finanzwirksame Gesetze nicht von der Volksgesetzgebung ausnehmen wollte, sondern lediglich das Staatshaushaltsgesetz. Unruhe kam im Plenarsaal auf, Ministerpräsident und Innenminister gingen durch ihre Reihen und vergewisserten sich des Abstimmungsverhaltens der Regierungsfraktionen.
Das Abstimmungsergebnis war dann eindeutig. Grüne und CDU stimmten geschlossen gegen den Änderungsantrag, die Fraktionen von SPD, FDP und AfD stimmten diesem zu.

 

Wie geht es nun weiter? Offen bleibt weiterhin die Frage, ob, wie und bis wann der Ständige Ausschuss eine Stellungnahme an den Verfassungsgerichtshof abgibt. In der zweiten Jahreshälfte werden dann die Anhörungen vor dem Verfassungsgerichtshof beginnen.

 

 

So oder so, wir können und werden nicht tatenlos zusehen. Mehr Demokratie hat einen Aufruf an das Innenministerium gestartet: „Lasst uns endlich abstimmen!“. Wir fordern, dass Volksbegehren auch etwas kosten dürfen. Unterschreiben Sie jetzt hier: www.volksentscheid-vor-gericht.de

 

 

Videoaufzeichnung der Landtagsdebatte: https://www.landtag-bw.de/home/mediathek/videos/2019/20190515sitzung0911.html?t=3648


Antrag der SPD-Fraktion (Drs. 16/5885): https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/5000/16_5885_D.pdf


Bericht des SWR (dpa): https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/Diskussion-um-kostenlose-Kitas-in-BW-Kita-Volksbegehren-SPD-kaempft-vergeblich,spd-kaempft-um-kita-volksbegehren-100.html


Podiumsdiskussion von Mehr Demokratie zum Thema „Laufen Volksbegehren ins Leere?“: https://www.facebook.com/mdbawue/videos/308280063405283/